Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2015; 20(01): 19-26
DOI: 10.1055/s-0034-1366096
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Haben Arzneimittelumstellungen Auswirkungen auf die stationäre Versorgung? Eine erste HTA-Betrachtung

Do Drug Product Changes Have an Impact on Hospital Treatment? A First Health Technology Assessment
M. Fischer
1   Krankhausapotheke, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
,
A. Kellermann
1   Krankhausapotheke, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
,
R. Bernard
1   Krankhausapotheke, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
,
A. Ihbe-Heffinger
1   Krankhausapotheke, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
4   Frauenklinik, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
,
U. Ronellenfitsch
2   Universitätsmedizin Mannheim, Chir. Klinik
,
R. Riedel
3   Masterstudiengang Medizinökonomie & Institut für Medizin-Ökonomie & Medizin. Versorgungsforschung (iMÖV), RFH Köln
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Publication Date:
03 June 2014 (online)

Zusammenfassung

Zielsetzung: Arzneimittelumstellungen erfolgen in Krankenhäusern aufgrund einer Reihe von Überlegungen wie z. B. verbesserte Wirksamkeit oder Verträglichkeit, Generierung von Einkaufsvorteilen, pharmazeutische Innovation oder Lieferengpässe. Ziel dieser Arbeit sind die Erstellung eines Prozessmodells für die Durchführung von Produktumstellungen und die Ermittlung eines krankenhausindividuellen Schwellenwerts, ab dem eine Arzneimittelproduktumstellung bei gegebener Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Produkts deckungsbeitragsbezogen sinnvoll ist.

Methodik: Der Aufwand einzelner Arzneimittelumstellungen im Münchner Klinikum rechts der Isar (MRI) wurde in einem Prozessmodell abgebildet. Die Prozessmodule wurden zeitlich erfasst und anschließend im Rahmen einer Prozesskostenrechnung bewertet.

Ergebnisse: Arzneimittelumstellungen teilen sich in drei Arten von Produktumstellungen auf: generische Umstellungen, wirkstoffgleiche Umstellungen mit Namensänderung und komplexe Umstellungen, bei denen sich Wirkstoff oder Arzneiform ändert. Insbesondere Letztere sind mit einem deutlich höheren Informationsbedarf verbunden. Dies spiegelt sich ebenfalls in der Prozesskostenanalyse wider. Relevante Kosten entstehen dabei im Rahmen des Vergabeverfahrens sowie an den anfordernden Verbrauchsstellen. Die Umstellungskosten inklusive Gemeinkosten im MRI liegen abhängig von der Anforderungshäufigkeit und der Komplexität des umzustellenden Produkts zwischen 2.300.– € und 6.420.– €.

Schlussfolgerung: Die HTA-Betrachtung (Health Technology Assessment) von Arzneimittelumstellungen im Krankenhaus zeigt, dass als Hauptkostenfaktor bei einer Arzneimittelumstellung die zusätzlichen Personalaufwendungen an den Verbrauchsstellen zu beachten sind. Sinnvoll gesetzte Schwellenwerte dienen dabei als Entscheidungshilfe bei der Abwägung zwischen Wirtschaftlichkeit und Risiko für die Arzneimitteltherapiesicherheit sowie Patientensicherheit bei einer geplanten Arzneimittelumstellung.

Abstract

Aim: Drug product changes occur in hospitals for different reasons: improved efficacy or tolerance of a drug, reduced costs, new pharmaceutical innovations or drug shortage. The aim of this analysis is to develop a process model for drug product changes and to determine a hospital specific threshold when product change is reasonable, provided that the efficacy and safety of the new product is economically reasonable.

Methods: The individual process steps at the Klinikum rechts der Isar in Munich (MRI) were recorded to develop a process model. The required expenditure of time for the different process modules was documented and a process cost calculation undertaken.

Results: Product changes can be divided into three groups: generic changes, identical active ingredient but different brand name, and complex drug changes with different active ingredients or changed drug formulation. The latter change is associated with a higher demand for information, which is reflected in higher process costs. Relevant costs arise during the process of product purchase and on the ward. The cost per product change inclusive operating expenses at the MRI range from 2,300.– € to 6,420.– € and depend on the frequency of prescription and the complexity of the product.

Conclusion: This Health Technology Assessment shows that main costs for a drug product change arise due to additional staff costs on the ward. Reasonable thresholds can aid in decision making when considering cost effectiveness and potential risks of the medication or patient safety.

 
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