Gesundheitswesen 2014; 76 - V73
DOI: 10.1055/s-0034-1371626

„Ich verklage Euch alle!“ Querulanten – die Rolle des Sozialpsychiatrischen Dienstes anhand von 3 Fallbeispielen

S Draba 1, D Gagel 2, P Schlegel 3
  • 1FÄ für Psychotherapie Stadt Halle, Fachbereich Gesundheit, Abteilung Sozialpsychiatrie, Halle (Saale)
  • 2Gesundheitsamt Pankow, Sozialpsychiatrischer Dienst, Berlin
  • 3Gesundheitsamt, Sozialpsychiatrischer Dienst, Braunschweig

Die Sozialpsychiatrischen Dienste haben in ihrem Selbstverständnis die Aufgabe, niedrigschwellig Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu versorgen. Dabei geht es einerseits um kurzfristige Beratungen ohne Wartezeit mit Klärung der oft komplexen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und sozialen Notlagen, andererseits um eine längerfristige multidisziplinäre Betreuung einer Gruppe von chronisch und schwer psychisch erkrankten Menschen mit ggf. auf- und nachsuchenden Aufgaben. Eine besondere Gruppe stellen Menschen dar, die allgemein als „Systemsprenger“, „Querulanten“ oder „Menschen mit herausforderndem Verhalten“ bezeichnet werden. Früher wurden sie mit dem eher abwertenden Begriff „Psychopath“ genannt. Charakteristisch ist dabei die intensive Inanspruchnahme der sozialpsychiatrischen Dienste, ohne dass dabei immer geeignete Lösungen und Hilfeformen entwickelt werden können. Die Betroffenen sehen sich in der Regel nicht als psychisch krank an. Sie fallen dadurch auf, dass sie erhebliche Forderungen aufstellen, z.B. die Legalisierung von Cannabis, eine hohe Ansprüchlichkeit bezüglich der Hilfen haben, ohne dabei ihren eigenes Anteil in der Umsetzung zu erkennen. Nicht selten führen sie umfangreiche Schriftwechsel, fallen dabei bei unterschiedlichen Einrichtungen und Institutionen durch teilweise provokante Formulierungen mit teilweise Wahn- und Größenvorstellungen auf. Häufig befördern sie Konflikte durch zahlreiche und intensive Klageverfahren. Sie neigen zu übertriebener Empfindlichkeit bei Rückschlägen und Zurücksetzung, zu ständigem Groll, einem ausgeprägten Misstrauen und einer starken Neigung, Erlebtes zu verdrehen, indem beispielsweise neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missgedeutet werden. Darüber hinaus ist ein streitsüchtiges und beharrliches, situationsunangemessenes Bestehen auf eigene Rechte erkennbar. Teilweise zeigen sie dissoziales Verhalten, eine deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen und Verpflichtungen*. Sie werden überwiegend mit der Diagnose paranoide bzw. dissoziale Persönlichkeitsstörung, teilweise in Kombination mit einer Suchtstörung diagnostiziert.

Anhand von drei Fallbeispielen aus unterschiedlichen Regionen sollen zum einen die Probleme aufgezeigt werden, die sich im Umgang mit den Betroffenen stellen, zum andern der Versuch unternommen werden, bislang bewährte Lösungsstrategien in der Bewältigung der oft aussichtslos wirkenden Problemlagen mit den Betroffenen aufzuzeigen und zu diskutieren.

*Beschreibung gemäß der International Classification of Diseases, Kapitel F, Weltgesundheitsorganisation dt. Fassung 2005