Gesundheitswesen 2014; 76 - P42
DOI: 10.1055/s-0034-1371671

„Mein Kind soll Unterstützung bekommen, aber nicht behindert sein“ – Konfliktlinien bei der Begutachtung zu Eingliederungshilfen wegen seelischer Behinderung im Kleinkind- und Vorschulalter

T Stegmann 1, B Gerhards 1, J Penzkofer 1, T Götz 1
  • 1Amt für Gesundheit, Psychiatrie, Frankfurt am Main

Viele Gesundheitsämter werden von den Sozialbehörden beauftragt, die Anspruchsvoraussetzungen für Eingliederungshilfen bei Kindern im Kleinkind- und Vorschulalter zu prüfen. Dabei geht es auch vermehrt um die Frage einer seelischen Behinderung. Um Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Leistungsträgern zu Lasten der betroffenen Familien zu vermeiden, haben einige Bundesländer (z.B. Hessen) die sozialrechtliche Zuständigkeit für Maßnahmen der Frühförderung bzw. der integrativen Erziehung in Tageseinrichtungen ausschließlich dem Sozialamt zugewiesen.

Für die Zuordnung zum Personenkreis der seelisch Behinderten ist eine psychiatrische Diagnose hilfreich. Eine Konfliktlinie verläuft zwischen einer frühzeitigen, fachgerechten Diagnostik und einem bewusst abwartenden, pädagogisch ausgerichteten Vorgehen ohne gezielte Diagnostik.

Die Erfahrung zeigt, dass die vorgelegten Befunde/Diagnosen der Haus- und Kinderärzte oft die Begründung einer Teilhabebeeinträchtigung nicht ohne weiteres zulassen und eine Untersuchung im Gesundheitsamt erforderlich wird. In Frankfurt werden Kinder, bei denen ein Verdacht auf eine seelische Behinderung besteht, nach Ausschluss einer geistigen oder körperlichen Behinderung in der Abt. Kinder- und Jugendmedizin dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst der Abt. Psychiatrie vorgestellt. Die qualitative und quantitative Auswertung der Vorstellungen der Jahre 2012/2013 zeigt, dass eine differenzierte Diagnostik häufiger zu Empfehlungen für institutionsübergreifende multimodale Ansätze oder störungsspezifische Eltern-Kind-Therapien, Elterntrainings und Kindertherapien führt. Im Kontrast dazu werden die beantragten reinen Eingliederungshilfen als isolierte Maßnahmen häufig für ungeeignet bzw. nicht ausreichend erachtet. Diese Erkenntnisse könnten als Anregung für eine fachliche und strukturelle Weiterentwicklung der Versorgung dieses Personenkreises in Frankfurt am Main dienen.