Gesundheitswesen 2014; 76 - A37
DOI: 10.1055/s-0034-1386887

Kinder als Zeugen häuslicher Gewalt – Folgen für Entwicklung und Gesundheit

F Doherr 1, D Hahn 1, V Amontow 1
  • 1Hochschule Fulda, Fulda

Einleitung/Hintergrund: Gewalt gegen Frauen stellt weltweit eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit der Betroffenen dar. Gewalt gegen Frauen findet in Deutschland überwiegend im häuslichen Bereich statt. Jede vierte Frau erlebt mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt durch einen Partner. Dadurch sind im Haushalt lebende Kinder ebenfalls direkt oder indirekt von der Gewalt betroffen [1]. Der Vortrag gibt einen Überblick über die Folgen von miterlebter häuslicher Gewalt auf Kinder.

Daten/Methodik: Anhand einer systematischen Literaturrecherche in Datenbanken, Fachzeitschriften und Fachbüchern wurde der aktuelle Forschungsstand zu den Auswirkungen häuslicher Gewalt auf Kinder ermittelt. Die Recherche ist Teil des Forschungsprojekts „BALU – Entwicklung geschlechtersensibler Unterstützungsangebote für Kinder aus gewaltbelasteten Familien“, welches derzeit unter der Leitung von Prof. Dr. Daphne Hahn am Fachbereich Pflege und Gesundheit der Hochschule Fulda durchgeführt wird.

Ergebnisse: Die Ergebnisse der Literaturrecherche zeigen deutlich, dass die Zeugenschaft häuslicher Gewalt eine erhebliche Belastung für Kinder darstellt. Sie müssen mit ansehen oder mithören, wie die Mutter körperliche oder sexuelle Gewalt erfährt, beschimpft oder unterdrückt wird. Langfristig haben sie ein signifikantes Risiko, später selbst Gewalt in der Partnerschaft zu erfahren [1]. Auf die wahrgenommene Bedrohung von Bezugspersonen reagieren Kinder manchmal stärker, als auf Bedrohung, die sich gegen sie selbst richtet [2]. Hinzu kommen negative Folgen für die Entwicklung und Gesundheit der Kinder. Hierzu gehören Verhaltensauffälligkeiten, emotionale Probleme, Auffälligkeiten im Sozialverhalten und psychosomatische Beschwerden. Langfristig kommt es zum Abfall schulischer Leistungen. Geschlechtsspezifische Auswirkungen zeigen sich z.B. in der unterschiedlichen Neigung zu externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten bei Jungen und internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten bei Mädchen [3].

Für betroffene Kinder die Möglichkeit zur Verarbeitung der Traumatisierungen i.d.R. erst, wenn die Mutter Kontakt zum Unterstützungssystem aufgenommen hat [4]. Das Verheimlichen der Gewalt innerhalb und außerhalb der Familie, wie es charakteristisch für eine gewaltbelastete Beziehung ist, führt zu sozialer Isolation [2], aber auch zu innerer Isolation beim Kind, da es das Erlebte nicht verarbeiten kann. Strasser spricht in dem Zusammenhang von seelischer Verwaisung [4]. Untersuchungen zum Hilfesuchverhalten von Kindern haben ergeben, dass die Hemmschwelle, Außenstehenden, z.B. Lehrerinnen und Lehrer von ihren Problemen zu erzählen, sehr hoch ist [5].

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Sachlage zeigt auf, dass Kinder, die Zeugen häuslicher Gewalt sind, kompetente Unterstützung benötigen, um Zugang zu Unterstützung zu bekommen. Vertreter verschiedener Berufsgruppen, die im alltäglichen Kontakt mit Kindern stehen, könnten den Kindern als erste Ansprechpartner zur Seite stehen oder der Familie Kontakt zum Unterstützungssystem vermitteln. Das Projekt BALU untersucht daher inwiefern Lehrer_innen, Erzieher_innen, Ergotherapeut_innen u.a. betroffene Kinder erkennen und unterstützen können (Näheres unter http://www.fh-fulda.de/index.php? id = stopp_violence).