Gesundheitswesen 2014; 76 - A102
DOI: 10.1055/s-0034-1386952

Frühe Hilfen als Gesundheitsförderung für sozial benachteiligte Kinder – Kosten-Nutzen-Aspekte

PF Lutz 1
  • 1Leibniz Universität Hannover, Hannover

Problem/Fragestellung: Die ökonomische Theorie der Fähigkeitsbildung („skill formation“) sagt voraus, dass Präventionsmaßnahmen für sozial benachteiligte Kinder umso effizienter sind, je früher im Leben sie erfolgen (vgl. z.B. Heckmann/Masterov 2007). In den USA konnte die hohe Effizienz solcher frühen Interventionen in verschiedenen Studien empirisch bestätigt werden, von denen die bekanntesten vermutlich das Perry Preschool Project und das Nurse Family Partnership sind. Offen war jedoch bisher, ob solche frühen Interventionen auch in einem hoch entwickelten Wohlfahrtsstaat wirksam sind, in dem für sozial benachteiligte Kinder bereits umfangreiche Fördermöglichkeiten bereitgehalten werden. Dieser Frage geht das Projekt Pro Kind nach.

Daten/Methodik: Die Studie lief im randomisierten Parallelgruppen-Design. Ein Kriterienkatalog wurde erstellt, um Kinder, die vermutlich in sozial benachteiligten Umgebungen aufwachsen werden, schon während der Schwangerschaft identifiziert zu können. Ein Netzwerk von Kooperationspartnern wurde gebeten, solche Schwangere an Pro Kind zu überweisen. Nach Überprüfung der Einschlusskriterien wurden 1157 Schwangere zur Teilnahme an Pro Kind eingeladen. Hiervon lehnten 263 nach Kenntnis Name der Teilnahmebedingungen ab, 139 meldeten sich nicht mehr. 755 Schwangere wurden randomisiert, davon 394 in die Treatment Gruppe. Das Treatment bestand in einem intensiven Hausbesuchsprogramm, in dem verschiedene gesundheits- und entwicklungsförderliche Ansätze verfolgt wurden. Während des Projektes wurden verschiedene biopsychosoziale Parameter erhoben, u.a. die Bayley Scales of Infant Development.

Ergebnisse: Eine kurzfristige Amortisation der Programmkosten über eine vermehrte Arbeitsmarktpartizipation der geförderten Mütter wie in den USA konnte nicht beobachtet werden. Hierzu trug bei, dass im Gegensatz zu den USA die Häufigkeit einer Nachfolgeschwangerschaft in der Treatmentgruppe durch das Programm nicht vermindert, sondern signifikant erhöht wurde. Es konnte jedoch eine signifikante Verbesserung der kindlichen Entwicklung festgestellt werden (erstaunlicherweise nur bei den geförderten Mädchen).

Diskussion/Fazit: Sollte sich dieser Effekt als nachhaltig erweisen, können hiervon hohe ökomische Nutzen erwartet werden. Dies gilt auch für die gemessenen Effekte auf die psychische Gesundheit der Mütter.