Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2015; 20(05): 216-220
DOI: 10.1055/s-0035-1553900
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Betäubungsmittelrecht und Palliativversorgung

Behindern die betäubungsmittelrechtlichen Rahmenbedingungen die Patientenversorgung in der Palliativmedizin?Legislation on Controlled Substances and Palliative CareIs the Legal Framework on Controlled Substances an Impediment to Palliative Care Focused on Patient Needs?
P. Cremer-Schaeffer
,
K. Broich
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Publication Date:
05 November 2015 (online)

Zusammenfassung

Das Betäubungsmittelgesetz und seine Verordnungen dienen dem Zweck, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, gleichzeitig aber den Missbrauch von Betäubungsmitteln so weit wie möglich auszuschließen. Um letzteres Ziel zu erreichen sind umfassende Überwachungsmaßnahmen im Betäubungsmittelverkehr notwendig. Diese betreffen den Weg der Betäubungsmittel von der Herstellung oder dem Import bis hin zur Abgabe an die Patienten in Apotheken oder stationären Einrichtungen. Eine lückenlose Überwachung ist dabei nur möglich, wenn jegliche Bewegung von Betäubungsmitteln dokumentiert wird. Infolgedessen entsteht ein hoher bürokratischer Aufwand bei allen Beteiligten.

Die Palliativversorgung ist auf eine schnelle und umfassende Versorgung von schwerkranken und sterbenden Patienten ausgerichtet. Eines der wesentlichen Ziele ist dabei die Linderung von belastenden Symptomen wie Schmerzen, Luftnot oder Angst. Diese Ziele sind in vielen Einzelfällen nur erreichbar, wenn Betäubungsmittel bei Bedarf umgehend zur Verfügung gestellt werden können. Anders als in der gewohnten ambulanten Krankenversorgung besteht dieser Versorgungsanspruch zu jeder Tages- und Nachtzeit, an sieben Tagen in der Woche.

Die Herausforderung in der Palliativversorgung mit Betäubungsmitteln liegt darin, die bestehenden, notwendigen betäubungsmittelrechtlichen Regelungen einzuhalten und dennoch dem Anspruch einer umgehenden Versorgung nachzukommen. Nachdem die rechtlichen Rahmenbedingungen an die Bedürfnisse der Patienten angepasst wurden, ist es bei pragmatischer und mutiger Anwendung der bestehenden Regelungen möglich, beiden Ansprüchen gerecht zu werden.

Abstract

The Narcotic Drugs Act and its ordinances aim at ensuring that the population is provided with the necessary medical care. At the same time it is essential to prevent the abuse of narcotic drugs as far as possible. In order to reach this goal, comprehensive monitoring measures are necessary. These measures concern the path the narcotic drug takes from its production or import to its dispensing to patients in pharmacies or in-patient facilities. Continuous monitoring is only possible if records are kept of any movement of the narcotic drug which creates a high bureaucratic burden for all parties involved.

Palliative care is directed at the prompt and comprehensive treatment of critically ill and dying patients. One of the main goals in this connection is the mitigation of afflictions e. g. due to pain, dyspnea, or anxiety. This can frequently only be achieved if narcotic drugs are provided immediately and as needed. In contrast to normal ambulatory care, palliative care is required at any time – around the clock, day or night.

The challenge posed by palliative care with narcotic drugs is adhering to existing regulations while meeting the patients’ needs for availability of the narcotic drug at the same time. After the regulatory framework has been adapted to patient requirements it is now possible to fulfill both objectives, provided these regulations are followed pragmatically and courageously.

 
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