Gesundheitswesen 2015; 77 - A47
DOI: 10.1055/s-0035-1563003

Psychoonkologische und sozialdienstliche Versorgung in zertifizierten Organkrebszentren

C Kowalski 1, J Ferencz 2, S Wesselmann 3
  • 1Deutsche Krebsgesellschaft e.V.
  • 2OnkoZert
  • 3Deutsche Krebsgesellschaft e.V.

Hintergrund: Der große patientenseitige Bedarf an psychoonkologischer und sozialdienstlicher Versorgung von Krebspatienten ist vielfach gezeigt worden. Um zu gewährleisten, dass dieser Bedarf zeitnah gedeckt wird, müssen Organkrebszentren, die sich nach den Anforderungen der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizieren lassen, jedem Patienten die Möglichkeit geben, sich sozialdienstlich und psychoonkologisch beraten zu lassen. Entsprechend qualifiziertes Personal muss vorgehalten und die Leistung dokumentiert werden. Dieser Beitrag untersucht den Anteil psychoonkologisch und sozialdienstlich beratener Zentrumspatienten und Unterschiede in der Beratungsquote nach Zentrumsmerkmalen. Methodik: Zentrumsweise aggregierte Daten von jährlich zuletzt (2014) 143.054 Primärfällen aus 957 zertifizierten Zentrumsstandorten werden im Zeitverlauf über fünf Jahre (2010 bis 2014) untersucht. Zusammenhänge zwischen dem Anteil beratener Patienten pro Standort und Standortmerkmalen (u.a. Zentrumsart, Fallzahl, Lehrstatus, Trägerschaft, Bundesland) werden bivariat und mittels multipler linearer (Mehrebenen-) Regressionsmodellen untersucht. Ergebnisse: Es zeigen sich teils deutliche Unterschiede nach Zentrumsmerkmalen. Am deutlichsten ist die Variation nach Zentrumsart. So übersteigt der Standortmedian sozialdienstlich beratener Patienten 85% in Brustkrebszentren und bleibt deutlich unter 65% in Prostata-, Lungen-, Neuroonkologischen und Hautkrebszentren. Noch deutlicher sind die Unterschiede bei der psychoonkologischen Betreuung mit Beratungsquoten von über 65% in Brustkrebs- und unter 20% in Prostatakrebszentren. Die übrigen Zentrumsmerkmale fallen kaum ins Gewicht. Diskussion: Psychoonkologen und Sozialarbeiter nehmen unverzichtbare Aufgaben im Rahmen der Versorgung onkologischer Patienten wahr, die großen Unterschiede zwischen den Zentrumsarten werfen aber Fragen zum Inanspruchnahmeverhalten und der Patient-Personal-Interaktion auf. Diese betreffen beispielsweise das Geschlechterrollenverständnis (z.B. Unterschiede Brust- und Prostatakarzinompatienten) oder mögliche sozialstatusbedingte Vorbehalte gegenüber psychosozialen Unterstützungsangeboten und bedürfen qualitativer Untersuchungen. Zukünftig wird interessant zu beobachten sein, wie sich die Implementierung des Screenings auf psychische Belastung auf die Beratungsquote auswirkt.