Gesundheitswesen 2016; 78 - A87
DOI: 10.1055/s-0036-1586597

Der Fachplan Gesundheit in Nordrhein-Westfalen – ein richtungweisendes Instrument zur Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in kommunalen Planungen?

T Claßen 1, O Mekel 1
  • 1Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW), Bielefeld

Hintergrund und Zielsetzung: Das Land Nordrhein-Westfalen erarbeitet seit 2009 ein Konzept zur Einführung lokaler Fachpläne Gesundheit auf kommunaler Ebene. Der Fachplan Gesundheit versteht sich als Instrument des Öffentlichen Gesundheitsdienstes im kommunalen Steuerungs- und Planungszyklus und soll als Schwungrad von der Problemanalyse und Bedarfsermittlung hin zur Maßnahmenplanung und -umsetzung wirken. Das Ziel besteht darin, das Aufgaben- und Leistungsspektrum des Gesundheitssektors darzustellen sowie gesundheitsbezogenem, verhältnisorientiertem Handeln in kommunalen Planungsverfahren mehr Stringenz, Transparenz, Konsens und Verbindlichkeit zu verleihen.

Studiendesign: Nach ersten vorbereitenden Anwendungserprobungen im Jahr 2010 und der Erstellung fiktionaler Fachpläne Gesundheit 2012 erfolgte 2013 – 2014 eine weitere Erprobungsphase, bei der in zwei kommunalen Projekträumen in NRW Teilaspekte eines Fachplans Gesundheit erarbeitet wurden. Die konkrete Themenauswahl, Zusammenstellung von Arbeitsteams und Wahl der einzuschlagenden Arbeitsweisen wurden in kommunaler Eigenregie festgelegt. Weitere Unterstützung wurde durch eine planungsfachliche Beratung sowie eine begleitende Evaluation der Erprobungsarbeiten sichergestellt.

Ergebnisse: In den zwei Projekträumen ergaben sich unterschiedliche Erprobungsansätze und -verläufe. In dem ersten kommunalen Projektraum wurde ein Ansatz basierend auf Daten der Gesundheitsberichterstattung der Kommune mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendgesundheit entwickelt. Durch Integration Geographischer Informationssysteme (GIS) in die Arbeitsprozesse war es möglich, Sozialräume (Quartiere) in dem kommunalen Setting im Hinblick auf dringliche präventive Maßnahmen sowie Kommunen der Region im Hinblick auf Maßnahmen zur Verbesserung der Zahngesundheit zu analysieren und zu bewerten. Die Ergebnisse mündeten u.a. in einem fokussierten Einsatz des schulärztlichen Dienstes und einem Beschluss zur Verstetigung des Fachplan-Prozesses. Im zweiten kommunalen Projektraum konzentrierte man sich in Kooperation zwischen dem Geoservice des Kreises und dem Gesundheitsamt auf einen thematischen Schwerpunkt (Erfassung und Bewertung möglicher gesundheitlicher Gefährdungen durch elektromagnetische Felder unter Berücksichtigung von Emittenten, Wohngebieten und Aufenthaltsbereichen sowie vulnerablen Gruppen).

Folgerungen und Praxisrelevanz: Beide Erprobungsvorhaben erweiterten in ihrer Unterschiedlichkeit das Erfahrungsspektrum zur Umsetzung des Fachplankonzepts, gerade auch hinsichtlich des kommunalen Gestaltungspotenzials und des Mehrwerts integrierter Verfahrensweisen im kommunalen Verwaltungs- und Planungshandeln als einem Baustein eines gesundheitsförderlichen Settings Kommune („Health in all Policies“). Die zweite Erprobungsphase zeigte jedoch auch rechtlich-administrative ebenso wie ressourcenbezogene Grenzen des bisherigen Fachplankonzepts auf. In weiteren Pilotstudien soll das Fachplan-Konzept geprüft werden im Hinblick auf die verstärkte Integration von Aspekten der Versorgungsstrukturentwicklung und dessen Anwendbarkeit auf Quartiersebene. Referenzen beim Verfasser.