Gesundheitswesen 2016; 78 - A168
DOI: 10.1055/s-0036-1586677

Aktivität findet Stadt. Bereicherung der Stadtplanung durch die Ergotherapie

K Helms 1, G Schwarze 1
  • 1FH JOANNEUM GmbH University of Applied Sciences, Graz

Bis in die Mitte des vorherigen Jahrhunderts wurde die für das menschliche Leben notwendige Bewegung im Wesentlichen aus Alltagstätigkeiten generiert. Heute arbeiten wir zumeist im Sitzen, fahren auch kleinste Strecken mit dem Auto und holen im besten Fall Bewegungsaktivitäten im Fitness-Studio am Laufband nach. Dieses Verhalten entspricht nicht den natürlichen Bewegungsbedürfnissen des Menschen und einer ressourcenschonenden Verhaltensweise. Es stellt sich daher die Frage, wie Bewegungsaktivitäten vermehrt in den Alltag integriert werden können. Gehen gilt hierbei als die weltweit am häufigsten durchgeführte moderate körperliche Aktivität unter Erwachsenen.

Aus der Occupational Science ist bekannt, dass jede durchgeführte Aktivität aus einem Zusammenspiel von Mensch – Umwelt – Tätigkeit besteht, was bedeutet, dass Aktivität nur dann stattfinden kann, wenn die Umgebungsfaktoren dies ermöglichen. Da mittlerweile mehr als 50% der Menschen auf der Welt in Städten leben, können in diesem Setting die meisten Personen mit einer Förderung des Gehens als körperliche Alltagsaktivität durch eine entsprechende Stadtgestaltung erreicht werden.

Ein Ziel des FFG-geförderten, interdisziplinären Projekts „Ökotopia“ war es, Kriterien für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung zu formulieren. Über die Frage „Welche Umgebungsfaktoren fördern das Gehen in der Stadt als bedeutungsvolle und zielgerichtete körperliche Alltagsaktivität?“, wurden die Gebiete Gesundheit und Aktivität in den Themen-Dreiklang Ökonomie, Ökologie und Soziales einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung integriert.

Hierfür wurde eine Literaturrecherche seitens der Ergotherapie von Juni bis Dezember 2012 durchgeführt. Die Literatur unterscheidet unterschiedliche Zugänge sowie eine Vielzahl an Umgebungsbedingungen als Voraussetzung für das Gehen. Die so ermittelten Kriterien der sogenannten „Walkability“ (Owen et al. 2007) wurden im Rahmen eines interdisziplinären Diskussions- und Entwicklungsprozesses in ein stadtplanerisches Tool zur Bewertung und Planung von Stadtteilen integriert. Es zeigte sich dabei, dass es sich bei der Walkability um ein Querschnittsthema handelt, das Verbindungen zu allen fünf beteiligten Fachdisziplinen (Stadtplanung, Energie- und Verkehrsmanagement, Soziale Arbeit und Ergotherapie) aufweist. Aus dem Input entstand ein interdisziplinärer Kriterienkatalog an Hand dessen einzelne Wohngebiete der Stadt Graz (270.000 Einwohner) bewertet wurden.

Aus der Sicht der Stadtplanung besteht der Mehrwert des Projektes in der Bereicherung der Ergebnisse um die Expertise einer Gesundheitsdisziplin. Der Mehrwert dieses interdisziplinären Projektes liegt für die Ergotherapie in der Sensibilisierung anderer Disziplinen für die Bedürfnisse „tätiger“ Menschen. Referenzen beim Verfasser.