Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605657
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommunikation in Zugang und Inanspruchnahme medizinischer Versorgung aus der Perspektive von AsylbewerberInnen

M Kleinke
1   Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Magdeburg
,
BP Robra
1   Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Magdeburg
,
A Spura
1   Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Magdeburg
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Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Einleitung:

Das Erleben medizinischer Versorgung wird durch Qualität und Richtung der dabei entstehenden Kommunikation beeinflusst. Für AsylbewerberInnen ist der Zugang zum Gesundheitswesen durch das Asylbewerberleistungsgesetz kommunikativ aufwendig, da vorher bei Sozialbehörden ein Behandlungsschein beantragt werden muss. Ziel der Studie ist, das Erleben der Kommunikation im Zugang zu medizinischer Versorgung aus der Sicht von AsylbewerberInnen zu erfassen.

Methodik:

Von Aug.-Nov. 2015 wurden 16 dolmetscherInnenunterstützte Leitfadeninterviews mit AsylbewerberInnen (m = 10, w = 6), die in Sachsen-Anhalt medizinische Hilfe gesucht haben, geführt. Die Interviews wurden im Hinblick auf kommunikative Prozesse mit einer qualitativen Inhaltsanalyse deduktiv-induktiv ausgewertet.

Ergebnisse:

Die Funktionen des Sozial- und des Gesundheitssystems waren im Untersuchungszeitraum noch nicht genügend aufeinander abgestimmt. Zusätzlich zu den gesundheitlichen Beschwerden leisteten AsylbewerberInnen Vermittlungsaufgaben, für die sie unterschiedliche Systemkompetenzen mitbrachten. Schwierigkeiten waren u.a. Sprachinkompatibilitäten, fehlende gesundheitssystemrelevante Informationen und mangelnde Kommunikation der professionellen AkteurInnen untereinander. Sie bewirkten eine Vervielfachung der Kommunikationsaufgaben und damit auch der potentiellen Missverständnisse mit den möglichen Folgen: Gesprächsabbruch, Zuweisung zu einem falschen Behandlungspfad oder Ausbleiben medizinischer Versorgung.

Schlussfolgerungen:

AsylbewerberInnen erleben Zugangskommunikation ins Gesundheitssystem als anspruchsvoll und umständlich. Sie tragen mit hohem Einsatz zu deren Gelingen bei. Die Einführung der Gesundheitskarte für AsylbewerberInnen kann die Zahl kommunikativer Prozesse reduzieren, potentiellen Missverständnissen vorbeugen und den Zugang zu medizinischer Versorgung linearer organisieren. Die Stärkung der Selbsthilfetätigkeiten und eine verlässliche Informationsweitergabe erscheinen hilfreich.