Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605664
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Auswirkung von Überweisungskriterien zum Nephrologen bei chronischer Niereninsuffizienz – Analyse einer Populationsbasierten Stichprobe

GFC Weckmann
1   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abteilung Allgemeinmedizin, Greifswald
,
JF Chenot
1   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abteilung Allgemeinmedizin, Greifswald
,
S Stracke
2   Universitätsmedizin Greifswald, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A, Bereich Nephrologie, Dialyse und Hochdruckkrankheiten, Greifswald
,
A Haase
1   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abteilung Allgemeinmedizin, Greifswald
,
J Spallek
3   Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, Fakultät 4 Gesundheit, Soziale Arbeit und Musikpädagogik, Institut für Gesundheit, Senftenberg
,
A Angelow
1   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abteilung Allgemeinmedizin, Greifswald
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Fragestellung:

Chronische Niereninsuffizienz (CKD) hat eine altersabhängige Prävalenz von ca. 10% bei Erwachsenen. Der Großteil der CKD-Patienten wird hausärztlich versorgt. Die Deutschen Gesellschaften für Nephrologie und Innere Medizin empfehlen eine Überweisung zum Nephrologen ab einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) < 45 oder eGFR 45 – 59 ml/min/1,73 m2 mit zusätzlichen Risikofaktoren, während internationale Leitlinien (KDIGO, NICE) eine eGFR< 30 als Grenzwert nennen. Ziel der Analyse ist es abzuschätzen welcher Teil der Bevölkerung die unterschiedlichen Überweisungskriterien aufweist.

Methoden:

In einer Querschnittsanalyse von Daten der populationsbasierten Kohortenstudie Study of Health in Pomerania (SHIP-2) wurde der Anteil der Probanden bestimmt, der gemäß der unterschiedlichen Kriterien zum Nephrologen überwiesen werden sollte.

Ergebnisse:

Daten von 2328 Probanden (53% weiblich; Alter 57 ± SD 14 Jahre) wurden analysiert. 3% der Probanden hatten eine eGFR< 45 ml/min/1,73 m2, 6% eine eGFR 45 – 59 ml/min/1,73 m2. Gemäß den deutschen Kriterien sollten 8% der Probanden überwiesen werden (Altersgruppe 30 – 49 Jahre: 0%, > 80 Jahre: 41%). Gemäß den KDIGO- und NICE-Leitlinien wies 1% der Probanden mit eGFR< 30 eine Überweisungsindikation auf. Nebenkriterien wie Proteinurie und refraktäre Hypertonie erhöhten diesen Anteil zusätzlich.

Schlussfolgerungen:

Die vorgeschlagenen deutschen Kriterien würden zu einer starken Zunahme der Überweisungen führen. Durch die hohe Prävalenz der zusätzlichen Risikofaktoren müssten de facto fast alle Patienten mit eGFR< 60 überwiesen werden. Dies betrifft vor allem Ältere, die keine spezifische nephrologische Therapie benötigen. Die Anwendung der NICE- oder KDIGO-Kriterien kann eine Strategie darstellen, Patienten mit erhöhtem Progredienzrisiko gezielt zu überweisen. Überweisungskriterien können sich selten auf gute Evidenz stützen. Sie sollten aber neben dem Konsens der beteiligten Gesundheitsversorger epidemiologische Daten berücksichtigen.