Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605665
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Soziodemografische und gesundheitsbezogene Merkmale der Inanspruchnahme und des Zugangs zu haus- und fachärztlicher Versorgung von 2006 bis 2016

F Tille
1   Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin
2   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
,
B Gibis
1   Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin
,
K Balke
1   Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin
,
A Kuhlmey
2   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
,
S Schnitzer
2   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Hintergrund:

Dieser Beitrag verfolgt das Ziel, systematische Unterschiede entlang sozialer Determinanten in der ambulanten Gesundheitsversorgung in Deutschland im Zeitraum von 2006 bis 2016 zu identifizieren. Dazu wurden für die Inanspruchnahme Vielnutzer haus- und fachärztlicher Versorgung und für den Zugang Personen mit sehr langen Termin-Wartezeiten bei Haus- und Fachärzten untersucht. Die Ergebnisse tragen zur Beschreibung der Versorgungsgerechtigkeit in Deutschland bei.

Methoden:

Die Analyse beruht auf neun Befragungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, in denen kumuliert 42.925 Erwachsene bundesweit befragt wurden. Als „Vielnutzer“ wurden diejenigen mit über zehn Besuchen bei Haus- und Fachärzten im vorangegangenen Jahr operationalisiert; als „Personen mit sehr langen Termin-Wartezeiten“ solche mit einer Wartezeit von über einem Monat auf den letzten Arzttermin. Assoziationen mit sozialen Determinanten und Gesundheitsmerkmalen wurden anhand bi- und multivariater Verfahren überprüft.

Ergebnisse:

Der subjektiv schlechte Gesundheitszustand weist den stärksten Zusammenhang mit häufigen Besuchen bei Hausärzten (Odds Ratio [OR]= 8,75, 95%-Konfidenzintervall [KI]: 6,59 – 11,62) und Fachärzten (OR = 9,27, KI: 6,79 – 12,65) auf. Sehr lange Wartezeiten auf Hausarzttermine sind am stärksten mit Vorsorgeuntersuchungen als Grund des letzten Arztbesuchs (OR = 9,24, KI: 6,26 – 13,64) assoziiert, sehr lange Wartezeiten auf Facharzttermine mit der gesetzlichen Krankenversicherung (OR = 4,13, KI: 3,25 – 5,24).

Schlussfolgerung:

Der Befund, dass die Unterschiede bei der Inanspruchnahme haus- und fachärztlicher Leistungen stärker mit Gesundheitsmerkmalen als mit sozialen Determinanten zusammenhängen, weist auf eine Priorisierung nach gesundheitlichem Bedarf und somit auf Versorgungsgerechtigkeit hin. Hinsichtlich des Versorgungszugangs sind dagegen Maßnahmen erforderlich, die insbesondere für gesetzlich Krankenversicherte die Wartezeiten von über einem Monat auf Facharzttermine verkürzen.