Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1605918
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verteilung der Ganzbeinachse auf Basis von MRT-Untersuchungen in einer Bevölkerungskohorte – Ist nur ein gerades Bein ein gesundes Bein?

J Fussi
1   Charité Berlin, CMSC, Berlin
,
C Perka
1   Charité Berlin, CMSC, Berlin
,
D Stengel
2   Unfallkrankenhaus Berlin, Centre for Clinical Research, Berlin
,
A Hönning
2   Unfallkrankenhaus Berlin, Centre for Clinical Research, Berlin
,
G Duda
3   Charité Berlin, Julius Wolff Institute for Biomechanics and Musculosceletal Regeneration, Berlin
,
R Bülow
4   Universitätsmedizin Greifswald, Institut for Community Medicine, Greifswald
,
CO Schmidt
3   Charité Berlin, Julius Wolff Institute for Biomechanics and Musculosceletal Regeneration, Berlin
4   Universitätsmedizin Greifswald, Institut for Community Medicine, Greifswald
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Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Einleitung:

Die gängigen Konzepte zur Ätiologie der Gonarthrose beruhen auf der Annahme, dass eine Varus- oder Valgusausrichtung der Beinachse eine Fehlstellung darstellt, die wesentlich zum Kniegelenksverschleiß beiträgt. Über die deutsche Bevölkerung liegen bislang keine Referenzdaten der mechanischen Beinachse, die zur Modellierung des Risikos für eine Gonarthrose herangezogen werden könnten, vor.

Methode:

Grundlage der Untersuchung ist die bevölkerungsbezogene „Study of Health in Pomerania (SHIP)-Trend“- Studie, die in das OVERLOAD-Netzwerkprojekt einfloss. Insgesamt wurden mittels MRT Vermessungen an 1985 Probanden durchgeführt (52% Frauen, mittleres Alter 51 [SD 14] Jahre, (21 – 82 Jahre)). Die Referenzpunkte der Ganzbeinachsen wurden mithilfe eines standardisierten Protokolls in einer Webanwendung (ARCUS) dokumentiert; die Achsberechnungen erfolgten computergestützt. Der Einfluss von Alter und Geschlecht auf die Ganzbeinachse wurde mittels GEE-Modellen analysiert.

Ergebnisse:

Die Ganzbeinachse variierte von -14,6 ° bis 7,9 ° (Mittelwert -0,2 ° [SD 2,5 °]). Eine Varusstellung > 3 ° trat bei 457 Kniegelenken auf (11,5%), eine Valgusabweichung > 3 ° bei 367 Knien (9,2%). Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden auffällig: Männliche Probanden zeigten häufiger ein Varus-Alignment (RR 1,5, 95% KI 1,3 – 1,8), während Frauen häufiger eine Valgusstellung aufwiesen. Nach dem 60. Lebensjahr fand sich bei beiden Geschlechtern eine Zunahme der Achsfehlstellung in Varusrichtung.

Diskussion:

Diese populationsbasierte Betrachtung der Ganzbeinachse zeigt eine breite Streuung des Alignments der unteren Extremität über die Alters- und Geschlechtergruppen, welche auf ein physiologisches Phänomen hinweist. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede erklären sich am ehesten aus den unterschiedlichen Muskelquerschnitten. Die Verschiebung der Ganzbeinachse nach dem 60. Lebensjahr in die Varusrichtung könnte Ausdruck neuromuskulärer Veränderungen sein.