Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 656-804
DOI: 10.1055/s-0037-1606039
Workshops
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arbeitsbedingungen in der Industrie 4.0: Psychosoziale Belastungen in der modernen Produktion

T Lunau
1   Institut für Medizinische Soziologie, Düsseldorf
,
K Müller-Thur
1   Institut für Medizinische Soziologie, Düsseldorf
,
U Körner
2   Allgemeine Psychologie und Arbeitspsychologie, Düsseldorf
,
A Buchner
2   Allgemeine Psychologie und Arbeitspsychologie, Düsseldorf
,
N Dragano
1   Institut für Medizinische Soziologie, Düsseldorf
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Fragestellung:

Die Digitalisierung der industriellen Produktion schreitet immer weiter voran („Industrie 4.0“). Ein Ziel dieser Digitalisierung sind intelligente Fabriken (smart factories), in denen Produktionsprozesse in hohem Ausmaß automatisiert und digital gesteuert werden. Solche Veränderungen könnten sich auch auf die psychosozialen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten auswirken, allerdings ist dies bislang kaum untersucht. Daher haben wir eine explorative Untersuchung zu psychosozialen Belastungen in der Industrie 4.0 durchgeführt.

Methoden:

Zur Erfassung der aktuellen Arbeitsbedingungen wurden 36 teilstrukturierte Interviews mit Produktionsarbeiter/innen und Wissensarbeiter/innen aus fünf Unternehmen geführt. Der Interviewleitfaden basierte auf etablierten Arbeitsstress-/Arbeitsergonomie-Theorien, auf deren Basis eine Kategorienmatrix mit Ober- und Unterkategorien entwickelt wurde. Ein halboffener Ansatz erlaubte es, im Prozess des Kodierens weitere Kategorien aufzunehmen, um auch neue bzw. sich verändernde Belastungen zu identifizieren.

Ergebnisse:

Folgende Belastungen wurden häufig berichtet: hohe Flexibilisierungsanforderungen (schnelle/unerwartete Auftragswechsel), Entgrenzung (flexibles Arbeiten, ständige Erreichbarkeit), Überwachung und Probleme in der Mensch-Maschine Interaktion (fehlendes Wissen zum Umgang mit technischen Probleme, schlechte Bedienbarkeit). Außerdem wurden steigender Zeitdruck und ein geringerer Handlungsspielraum durch die zunehmende Automatisierung berichtet.

Schlussfolgerungen:

Die qualitativen Interviews liefern erste Hinweise, dass mit zunehmender Digitalisierung einzelne Belastungen stärker in den Vordergrund treten. Möglichkeiten, diese Belastungen abzuschwächen und die positiven Aspekte der Digitalisierung zu stärken, könnten demnach z.B. ausreichende Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Einbeziehung der Mitarbeiter/innen in den Prozess der Digitalisierung sein.