Aktuelle Ernährungsmedizin 2019; 44(02): 144-145
DOI: 10.1055/s-0039-1684915
8) Klinische Ernährungsmedizin III: Intensivmedizin, Nephrologie, Chirurgie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Frühe enterale Ernährung vs. späte Ernährung beim beatmeten Intensivpatienten: eine systematische Übersichtsarbeit mit Meta-Analyse

A Hill
1   Kliniken für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen/Deutschland
,
C Benstoem
1   Kliniken für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen/Deutschland
,
DK Heyland
2   Kingston General Hospital, Kingston/Canada
,
M Lemieux
2   Kingston General Hospital, Kingston/Canada
,
C Stoppe
3   Klinik für Operative Intensivmedizin, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen\/Deutschland
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Publication Date:
26 April 2019 (online)

 

Einleitung:

Ernährung ist ein wichtiger Therapie-Bestandteil bei kritisch kranken Patienten. Dennoch bleiben wichtige Fragen über Beginn, Ende, Dosierung sowie über die geeignete Applikationsform der Ernährungstherapie aufgrund mangelnder Evidenz ungeklärt. Aufgrund dem potentiellen Risiko Nebenwirkungen zu entwickeln, erfolgt die Initiierung der enteralen Ernährung (EN) sowie der enterale Kostaufbau im klinischen Alltag häufig nur zögerlich. Vor diesem Hintergrund adressiert die hier vorliegende Meta-Analyse daher die Frage, ob eine frühe enterale Ernährung (EEN) im Vergleich zu einer späten Ernährung einen Einfluss auf das Outcome der Intensivpatienten hat.

Methoden:

Durch systematische Suche der Datenbanken Medline, CINAHL (Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature), Embase, der Cochrane Database of Systematic Reviews (CDSR) und des Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL) wurden 17 randomisiert-kontrollierte Studien identifiziert, die bei beatmeten kritisch kranken Intensivpatienten eine EEN mit verspäteter Ernährung (enterale, parenterale oder orale Ernährung) verglichen. Bei allen außer einer Studie wurde die EEN innerhalb von 24 – 48 Stunden gestartet. 10 Studien verglichen EEN mit später EN, 7 Studien verglichen EEN mit keiner EN oder Flüssigkeitssubstitution.

Ergebnisse:

EEN zeigte im Vergleich zur späten Ernährung einen Trend zur reduzierten Mortalität (17 Studien, RR 0.73, 95% CI 0.51, 1.04, p = 0.08, Heterogenität I2= 0%; Abb. 1). Frühe EN war mit signifikant weniger Infektionen assoziiert (9 Studien, RR 0.81, 95% CI 0.68, 0.97, p = 0.02, Heterogenität I2= 14%; Abb. 2). EEN zeigte keinen Einfluss auf die Dauer des Intensivaufenthaltes (12 Studien, WMD -0.78, 95% CI -3.56, 2.00, p = 0.58, Heterogenität I2= 46%), oder des Krankenhausaufenthaltes (10 Studien, WMD -1.34, 95% CI -7.69, 5.02 p = 0.68, Heterogenität I2= 51%), sowie auf die Beatmungsdauer (8 Studien, WMD 0.03, 95% CI -3.01, 3.06 p = 0.99, Heterogenität I2= 42.6%). 15 Studien berichteten über signifikante Verbesserung von Ernährungsendpunkten bei EEN (höhere Kalorien- und Proteinaufnahme, verbessertes prozentuales Erreichen des Ernährungsziels, ausgeglichenere Stickstoff-Balance). Die Komplikationsraten unterschieden sich nicht signifikant zwischen den Gruppen.

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Abb. 1
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Abb. 2

Schlussfolgerung:

EEN führt zu erniedrigten Infektionsraten und ist im Vergleich zur spät initiierten Ernährung mit verbesserter Aufnahme von Makronährstoffen assoziiert. Dem gegenüber zeigten sich die Beatmungs-, Intensiv- und Krankenhausdauer und Komplikationsraten unbeeinflusst. EEN zeigt damit klinische Vorteile innerhalb der Ernährungstherapie kritisch kranker Patienten, was sich darüber hinaus in einem Trend zu erniedrigter Mortalität widerspiegelt.