Aktuelle Ernährungsmedizin 2019; 44(02): 150
DOI: 10.1055/s-0039-1684926
9) Klinische Ernährungsmedizin IV: Onkologie, Gastroenterologie, Pneumologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Rolle der Angst in der Ernährung von Morbus Crohn Patienten in Remission

S Esau
1   Hochschule Neubrandenburg, Institut für evidenzbasierte Diätetik, Neubrandenburg, Germany; Hochschule Neubrandenburg, Bachelorstudiengang Diätetik, Neubrandenburg, Germany
,
S Ramminger
1   Hochschule Neubrandenburg, Institut für evidenzbasierte Diätetik, Neubrandenburg, Germany; Hochschule Neubrandenburg, Bachelorstudiengang Diätetik, Neubrandenburg, Germany
,
C Sander
2   Deutsche Morbus Crohn\/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV.eV), Berlin, Germany
,
L Valentini
1   Hochschule Neubrandenburg, Institut für evidenzbasierte Diätetik, Neubrandenburg, Germany; Hochschule Neubrandenburg, Bachelorstudiengang Diätetik, Neubrandenburg, Germany
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Publication History

Publication Date:
26 April 2019 (online)

 

Einleitung:

Für die Ernährung von Patienten mit M.Crohn (MC) in Remission existieren keine Empfehlungen, abgesehen von Eliminationsdiäten bei Lebensmittelunverträglichkeiten [1]. Zudem weisen ca. 1/3 der MC-Patienten eine generalisierte Angststörung auf [2]. Vermutet wird, dass das Essverhalten durch angstassoziierte Elimination von Lebensmitteln (Angstdiät) beeinflusst wird.

Das primäre Ziel dieser Arbeit war es, die Prävalenz der Angstdiät bei erwachsenen MC-Patienten in Remission über eine detaillierte Online-Umfrage zu ermitteln und mit der generalisierten Angststörung, der Lebensqualität und den Ernährungsgewohnheiten zu korrelieren.

Methodik:

Die prospektive, unkontrollierte Querschnittsstudie wurde von September bis Dezember 2016 durchgeführt. Die Rekrutierung erfolgte über die Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung. Inklusionskriterien waren ein Mindestalter von 18 Jahren, BMI zwischen 18,5 und 35 kg/m2 und eine aktuelle Remissionsdauer von mindestens 3 Monaten. 38 MC-Patienten wurden in die Analyse inkludiert (84% weiblich; 32 ± 9,6 Jahre; BMI 24 ± 3,8 kg/m2; Erkrankungsdauer 10 ± 8,4 Jahre; 6,3 ± 8,2 Schübe seit Diagnosestellung). Aus fünf vorab durchgeführten leitfadengestützten Interviews wurde ein Fragebogen zum angstassoziierten Essverhalten entwickelt. Dieser war Bestandteil der Online-Umfrage (SurveyMonkey®), die insgesamt aus 7 Fragebögen (137 Fragen) zu Anthropometrie, Krankheitsaktivität (Harvey Bradshaw Index), Krankheitsverhalten (Montreal Klassifikation), Generalisierte Angststörung (GAD-7); Ernährungsgewohnheiten (modifizierter DEGS-FFQ), Lebensqualität (IBDQ-D) und Angstdiät bestand.

Ergebnisse:

Insgesamt wiesen 97% (n = 37) der Befragten eine leichte bis moderate Angstdiät auf. Dabei korrelierte die Ausprägung der Angstdiät positiv mit dem Alter bei Diagnosestellung (r = 0,33, p = 0,041) und dem Krankheitsverhalten (r = 0,38, p = 0,019), jedoch nicht mit der Erkrankungsdauer (r = -0,07, p = 0,67). Die Lebensqualität der Probanden (174,7 ± 27,8 von 224 Punkten) korrelierte negativ mit der Ausprägung der Angstdiät (r = -0,36, p = 0,031). Bei 92% (n = 34) der Probanden konnte eine milde generalisierte Angststörung nachgewiesen werden, jedoch ohne Zusammenhang zur Angstdiät (r = 0,20, p = 0,237). Ergebnisse zum angstassoziierten Essverhalten sind in Tabelle 1 dargestellt. Von der Mehrheit der Probanden werden vor allem Vollkornprodukte, schwer verdauliche Obst- und Gemüsesorten, fettreiche Zubereitungsmethoden, scharfe Gewürze und Alkohol gemieden.

Schlussfolgerung:

Nahezu alle untersuchten MC-Patienten zeigten Anzeichen eines angstassoziiertes Essverhaltens, welches potentiell zu einer unnötigen Einschränkung der individuellen Lebensmittelauswahl führt und die Entstehung von Mangelernährung begünstigen könnte. Eine individuelle Betreuung durch eine Ernährungsfachkraft zur Sicherung der Nährstoffzufuhr, sowie zur Aufklärung über Lebensmittel und -unverträglichkeiten wäre daher empfehlenswert.

Tab. 1:

Ergebnisse angstassoziiertes Essverhalten. Gesamtkollektiv n = 38

relevante Fragen & Aussagen zum angstassoziierten Essverhalten

Antworten (%/n)

Haben Sie bisher eine Ernährungsberatung erhalten?

Nein (63.2%/n = 24)

Empfinden Sie Ihre LM-Auswahl als eingeschränkt?

teilweise (39.5%. n = 15)

Würden Sie Ihren Speiseplan als abwechslungsreich bezeichnen?

Nein (44.7%/n = 17)

Besteht Unsicherheit bezüglich verträglicher und unverträglichen LM?

Ja (42.1%. n = 16)

Vermeiden Sie LM. weil Sie befurchten diese nicht zu vertragen?

Ja (65.8%/n = 25)

Haben Sie eine feste LM-Auswahl. die Sie immer vertragen?

Ja (84.2%/n = 32)

Vermeiden Sie LM. weil Sie bereits sicher wissen, dass Sie diese nicht vertragen?

Ja (84.2%/n = 32)

Vertragen Sie LM/Speisen generell besser, wenn es Ihnen körperlich und psychisch gut geht?

Ja (73.7%/n = 28)

Verzehren Sie dieselben LM/Speisen. wie die Person/en. mit denen Sie in einem gemeinsamen Haushalt leben?

Ja, bis auf wenige Ausnahmen (63.2%/n = 24)

Probieren Sie gerne neue Speisen u./o. Geschmacksrichtungen aus?

Ja (71.1%/n = 27)

Das Essen außer Haus stellt ein Problem für mich dar, weil:

Ja (36.8%/n = 14)

... die Zubereitung der Speisen/Inhaltsstoffe nicht nachvollziehbar ist

23,7%/n = 9

... es zu wenig Austausch- bzw. Variationsmöglichkeiten gibt

13,2%/n = 5

... ich befürchte das Essen nicht zu vertragen

23,7%/n = 9

... ich keine öffentliche Toilette suchen bzw. benutzen möchte

13,2%/n = 5

Die Ernährung:

... hat einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf.

Ja (94,7%/n = 36)

... kann eine Remission einleiten bzw. aufrechterhalten.

Ja (73.7%/n = 28)

... kann eine Remission beenden bzw. einen Schub auslösen.

Ja (57.9% In = 22)

Literatur:

[1] Bischoff SC et al. S3-Leitlinie der DGEM – Gastroenterologie (Teil 4). Aktuel Ernahrungsmed 2014; 39: e72-e98

[2] Nahon S et al. Risk factors of anxiety and depression in inflammatory bowel disease. Inflamm Bowel Dis. 2012; 18(11):2086 – 91.