Aktuelle Ernährungsmedizin 2019; 44(02): 152-153
DOI: 10.1055/s-0039-1684931
11) Besondere Fälle
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Systematische Literaturrecherche über die Gabe von Cannabinoiden im Kontext ernährungsmedizinischer Interventionen bei onkologischen Palliativpatienten

L Lambert
1   Universitätsklinikum Münster, Medizinische Klinik B für Gastroenterologie und Hepatologie, Germany
,
A Hüsing-Kabar
1   Universitätsklinikum Münster, Medizinische Klinik B für Gastroenterologie und Hepatologie, Germany
,
P Lenz
2   Universitätsklinikum Münster, Zentrale Einrichtung Palliativmedizin, Germany
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
26 April 2019 (online)

 

Hintergrund:

Mangelernährung tritt häufig bei onkologischen (Palliativ-)Patienten auf. THC-haltige Präparate können Übelkeit reduzieren und Appetitanregend wirken. Durch die fortschreitende Cannabinoid-Forschung und Cannabislegalisierung ergeben sich neue Möglichkeiten in der Behandlung von onkologischen Palliativpatienten zur Bekämpfung von Mangelernährung und der Steigerung der Lebensqualität.

Methodik:

Es wurde eine Literaturrecherche mittels kategorisierter Suchbegriffe (dt./engl.) durchgeführt, die in verschiedenen Kombinationen in PubMed, Thieme Connect, Scopus und Springer Link eingegeben wurden. Die Kategorien sind 1. Medizinische Disziplin (Krebs, Onkologie, Palliativmedizin), 2. Medikation (Cannabis, Cannabinoide, THC, Dronabinol) und 3. Symptome (Appetitlosigkeit, Erbrechen, Gewichtsabnahme, Übelkeit). Grundsätzlich wurden immer Suchbegriffe aus 1. und 2. kombiniert. Die Ergebnisse wurden mit Suchbegriffen aus 3. verfeinert bzw. ergänzt und mit Einschlusskriterien für die Literaturauswahl gefiltert.

Ergebnis:

Für den Themenkomplex konnten sechs doppelblinde, randomisierte klinische Studien mit einer Mindestdauer von zwei Wochen, Teilnehmern älter als 18 Jahren und mindestens 20 Teilnehmern ermittelt werden. Frühere Studien (Jatoi (2002), Strasser (2006), Brisbois (2011)) haben keine eindeutigen Ergebnisse hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit von THC-haltigen Präparaten in Bezug auf antiemetische und appetitanregende Wirkung im Vergleich zu Placebo gezeigt. Dies gilt insbesondere bei der antiemetischen Wirkung. Zuletzt wiesen jedoch Turcott et.al. (2018) die signifikante Wirkung eines THC-haltigen Präparats (Nabilon) nach. In den Studien wurden z.T. rein THC-haltige Präparate genutzt (Brisbois, Strasser), THC-CBD-Kombinationen (Strasser, Turcott) und Megestrol/Dronabinol-Kombinationen (Jatoi). Die Endpunkte waren grundsätzlich die Gewichtzunahme, während Turcott et.al. die Energieaufnahme (+ 342 kcal im Vergleich zu Placebo) und fünf QoL-Parameter berücksichtigten. Die Studiendauer reichte von rund drei (Brisbois) bis elf (Jatoi) Wochen, die Teilnehmerzahl reichte von 47 (Brisbois) bis 469 (Jatoi).

Schlussfolgerung:

Die geringe Anzahl der Studien und z.T. auch deren Alter können als Ursachen für Unsicherheiten hinsichtlich Dosierung, Anwendungsdauer und Präparattyp (z.B. nur THC oder THC mit Cannabidiol) gelten. Zur besseren Beurteilung der Wirksamkeit müssen in künftigen Studien Cannabispräparate in die ernährungsmedizinischen Abläufe der palliativmedizinischen/onkologischen Behandlungen integriert werden. Insgesamt ist die Evidenzlage für den Einsatz von Cannabinoiden in der palliativen Versorgung mit Focus auf Appetitsteigerung bei Krebspatienten eher schwach. Die Voraussetzungen für neue Studien haben sich durch die fortgeschrittene Cannabisforschung und die liberalere Gesetzeslage verbessert.