Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 671
DOI: 10.1055/s-0039-1694376
Kongresstag 1: 16.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Möglichkeiten und Grenzen rollentheoretischer Betrachtungen im Medizinsystem von heute

K Götz
1   Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck
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Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Soziologische Klassiker liefern relevante Inhalte zur Versorgungsforschung und erweitern den Blick auf das Versorgungssystem. Der folgende Beitrag beleuchtet die Rollenstrukturen im heutigen medizinischen Versorgungssystem unter Berücksichtigung des Strukturfunktionalismus nach Parsons. Die normativen Rollenerwartungen befinden sich aktuell im Wandel. Die Funktion der Arzt- und Patientenrolle, welche als Sicherung der Gesundheit beschrieben wird, scheint durch die derzeitigen Entwicklungen im Gesundheitswesen allerdings einer Anpassung zu bedürfen. Die klassische Rollendefinition, wie die Orientierung an emotionaler Neutralität, an funktionaler Spezifität und am Prinzip des Universalismus ist in dieser Form zu überdenken. Die zunehmenden Veränderungen von Kommunikationsmedien und -gewohnheiten von Arzt und Patienten beiderseits könnten eine Entzauberung der klassischen Arztrolle bedeuten und damit einer Aufhebung bzw. Erweiterung der klassischen Arzt-Patienten-Beziehung. Der Patient kann als „Selbtbestimmer“ seiner Gesundheit gesehen werden und hat durch die erweiterten Informationsmöglichkeiten im Bereich der Prävention, Diagnostik aber auch Therapie die Möglichkeit aktiv an der Genesung mitzuwirken. Entwicklungen wie Delegationskonzepte, Digitalisierung, Telemedizin, Gesundheits-Apps und die Verankerung neuer Konzepte, wie Empowerment, Patientenkompetenz oder Gesundheitskompetenz beeinflussen die Arzt-Patienten-Beziehung und verdeutlichen den stetigen Wandel, der auch vor dem Hintergrund der klassischen Betrachtung der Arzt- und der Patientenrolle nach Parsons keinen Halt macht. Daran anknüpfend müssten mögliche Lehrinhalte im humanmedizinischen Curriculum überdacht werden. Im Beitrag werden verschiedene Entwicklungen aufgezeigt sowie deren Möglichkeiten und Grenzen, die sich daraus ergeben könnten, kritisch zu Diskussion gestellt.