Gesundheitswesen 2018; 80(12): 1048-1054
DOI: 10.1055/s-0043-104214
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Veränderung der Inanspruchnahme von Krankenkassenleistungen vor und nach einer Vater-Kind-Maßnahme

Changes in the Use of Health Insurance Services before and after a Father-Child Measure
Felix Barre
1   Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie, Hannover
,
Jelena Epping
1   Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie, Hannover
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Publication Date:
17 May 2017 (online)

Zusammenfassung

Einleitung Seit 2002 gibt es in Deutschland stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für Väter und ihre Kinder (V-K-M) (§§ 24 und 41 SGB V). Zu Gesundheitsstörungen der Väter in V-K-M liegen bisher keine Daten vor. Das Ziel dieser Untersuchung ist es, herauszufinden, ob die Teilnehmer einer V-K-M gesundheitlich belasteter sind als Väter ohne Teilnahme an einer V-K-M und ob die Teilnahme an einer V-K-M zu einer verbesserten Gesundheit beiträgt. Dafür wird die Veränderung der Inanspruchnahme ambulanter GKV-Leistungen untersucht und mit der Inanspruchnahme von Vätern ohne Teilnahme an einer V-K-M verglichen. Grundlage des Forschungsprojekts sind Routinedaten der AOK-Niedersachsen (AOKN).

Methoden Als Outcome-Variablen für die ambulante Inanspruchnahme werden ambulante Diagnosen und Arzneimittel herangezogen, die ein Jahr vor und ein Jahr nach der Maßnahme abgerechnet wurden. Die Untersuchungsgruppe (N=179) umfasst alle Väter, die 2005–2009 an einer V-K-M teilgenommen haben und durchgehend versichert waren. Für diese Väter wurde eine parallelisierte Vergleichsstichprobe gebildet, die nicht an einer V-K-M teilgenommen haben (N=717).

Ergebnisse Die Untersuchung hat ergeben, dass die Teilnehmer der V-K-M vor und nach der Maßnahme mehr Diagnosen und Arzneimittel erhielten als Väter ohne V-K-M. Väter unter 40 Jahren wiesen nach der V-K-M überwiegend eine geringere Zahl Diagnosen und Arzneimittel als vor der Maßnahme auf, bei älteren Teilnehmern zeigte sich überwiegend eine höhere Inanspruchnahme. Die Teilnehmer der V-K-M haben v. a. mehr F-Diagnosen als Väter ohne V-K-M. Im Vergleich der Zeiträume nach der Maßnahme zum Jahr davor ist außerdem der Anstieg der I-Diagnosen und die Zunahme von Herz-Kreislauf-Medikamenten auffallend.

Schlussfolgerung Die höhere Inanspruchnahme von GKV-Leistungen bei Teilnehmern der V-K-M im Vergleich zu Nicht-Teilnehmern deutet darauf hin, dass mit den V-K-M eine gesundheitlich belastete Versichertengruppe erreicht wird. Die vergleichsweise hohe Zahl der F-Diagnosen verdeutlicht, dass die Teilnehmer in diesem Indikationsbereich besonders belastet sind. Ein positiver Maßnahmeeffekt zeigt sich bei jüngeren Vätern in einer Reduzierung der Inanspruchnahme, während bei älteren Teilnehmern überwiegend ein Behandlungsbedarf weiterbesteht oder im Kontext der Maßnahme aufgedeckt wird.

Abstract

Introduction Since 2002 inpatient preventive and rehabilitative measures for fathers and their children (F-C-M) are available in the German health system (§§ 24 and 41 SGB V). So far there is no data on health disorders of the fathers in F-C-M. The aim of this study is to examine whether participants of F-C-M are more prone to health problems than fathers who are not participating in F-C-M and whether participation in F-C-M contributes to improved health. To do so, the change in the use of outpatient care services is examined and compared to the use of mentioned services by fathers who are not participating in an F-C-M. The research project is based on the routine data of AOK-Niedersachsen (AOKN).

Methods Outpatient diagnoses and medications that were billed one year before and one year after the measure are used as outcome variables for outpatient use. The test sample (N=179) includes all fathers who participated in a F-C-M in 2005–2009 and were insured throughout. For these fathers, a comparative group of fathers who had not participated in a F-C-M (N=717) was formed in parallel.

Results The investigation has shown that the participants of the F-C-M received more diagnoses and medications before and after the measure than fathers without F-C-M. Fathers under 40 years mostly got fewer diagnoses and medications after the measure than before the measure, whereas older people showed a higher claim after the measure. The participants of the F-C-M mainly have more F-diagnoses than fathers without F-C-M. In addition to that the increase in I-diagnoses and the increase in cardiovascular drugs are striking compared to the previous year.

Conclusion The increased use of the statutory health insurance benefits of participants of the F-C-M compared to non-participants indicates that the F-C-M is a health-impaired group of insured people. The high number of F-diagnoses further illustrates that the participants are particularly affected in this indication area. A positive effect of the measure is shown by the fact that younger fathers made reduced use of health insurance benefits, while in the case of older participants a treatment requirement was still predominant or was revealed in the context of the measure.

 
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