Gesundheitswesen 2024; 86(S 05): S299-S300
DOI: 10.1055/s-0044-1794271
Abstracts │ ÖGPH

Mehr Public Health – Gemeinsam heute für morgen

Viktoria K. Stein
1   Österreichische Gesellschaft für Public Health
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Die 27. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Public Health fand von 16. – 18. Oktober in Innsbruck statt und unser erster Ausflug in den Westen Österreichs war ein voller Erfolg: mehr als 50 Personen nahmen an den Pre-Conference Workshops teil, und über 200 Teilnehmer*innen aus ganz Österreich, Deutschland, Polen und Südtirol tauschten sich in 25 Parallelsessions und Workshop aus. Dazu kamen vier hochkarätige Plenarveranstaltungen, die einige der wichtigsten Themen der heutigen Zeit von verschiedenen Perspektiven beleuchteten, und für viel Diskussionsstoff sorgten. Diese Themen zogen sich wie in roter Faden durch das gesamte Programm.

Die Ambivalenz mit KI und Digitalisierung Künstliche Intelligenz und digitale Lösungen sind aus der heutigen Public Health Forschung und Praxis nicht weg zu denken, das zeigten bereits die Pre-conference Workshops auf und wurde durch die Eröfnungsrede eindrücklich vertieft. Doch während Anwender*innen schon längst im digitalen Zeitalter angekommen sind, hinken Public Health- und Gesundheitsorganisationen oft hinterher. Digitale Anwendungen können Therapien unterstützen, den Zugang zu Dienstleistungen erweitern, und Daten viel schneller analysieren als Menschen. Eine systematische und strategische Auseinandersetzung damit, wie und wo diese Anwendungen zum Einsatz kommen, und wer sie finanziert gibt es allerdings bis jetzt nicht. Dass die digitale Welt auch negative gesundheitliche Auswirkungen haben kann, wurde in mehreren Sessions aufgegriffen. Angeführt von der ÖGPH Kompetenzgruppen Public Mental Health wurden sowohl positive Anwendungsbeispiele als auch der negative Einfluss von sozialen Medien auf das Selbstbild und das Gesundheitsverständnis von Kindern und Jugendlichen präsentiert.

Die Krux mit evidenz-basierter Politik Der Zugang zu Daten und die Zusammenführung von Datensätzen zum Zwecke der Analyse und Evidenzschaffung, um informierte, evidenz-basierte Entscheidungen treffen zu können ist ein Dauerbrenner in Public Health. Es scheitert nicht nur an falsch verstandenem Datenschutz, sondern oft auch am politischen Willen und fehlender Kompetenz innerhalb der Gesundheitseinrichtungen. So war es auch nicht verwunderlich, dass viele der quantitativen Studien, die präsentiert wurden, auf internationale Datensätze oder europäische Kohortenstudien zurückgriffen, um unter anderem Effekte von Public Health Maßnahmen auf ein gesundes Altern zu analysieren. Doch selbst wenn die Evidenz für einen gesunden, aktiven Lebensstil vorhanden ist, so ist nochmal ein ganz anderes Thema, Menschen und die Politik davon zu überzeugen, dementsprechende Maßnahmen umzusetzen. Die Frage nach der richtigen Kommunikation mit verschiedenen Zielgruppen war ein vieldiskutiertes Thema, und die Erkenntnis, dass wir als Public Health Proponent*innen besser in der Wissenschaftskommunikation und dem Umgang mit Medien werden müssen, war eine klare Aufgabe für die Zukunft.

Die Herausforderung von Klimaneutralität und One Health Wenn wir von der Zukunft sprechen, dann immer im Kontext von Klimawandel und den Auswirkungen auf die Gesundheit und die Gesellschaft. Dass Gesundheitsförderungs- und Präventionsmaßnahmen sehr oft auch klimafreundlich sind, macht Public Health zu einem starken Partner, wenn es um das Erreichen eines klimaneutralen Gesundheitssystems geht. Doch auch Gesundheitseinrichtungen, insbesondere Krankenhäuser als größte Co2-Emittenten des Gesundheitssystems, können mit entsprechenden Maßnahmen wie zum Beispiel besserer Planung von Patient*innenwegen oder der Umstellung der Küche auf vorwiegend regionale und saisonale Produkte sowohl ihre Klimabilanz verbessern als auch die Versorgung der Patient*innen. Das große Potenzial, dass in einer stärkeren Verschränkung von Public Health Wissenschaft und Praxis mit anderen Disziplinen im Sinne eines One Health Ansatzes, ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft und wird uns auch bei kommenden Konferenzen beschäftigen.

Die Diversität von Diversität Das Programm und die Teilnehmer*innen haben eindrücklich aufgezeigt, wie bunt, breit und vielfältig Public Health Wissenschaft und Praxis in Österreich bereits sind, und wie viel sich vor allem lokal bewegt. Sessions zu Caring Communities, partizipativen Forschungsmethoden und Politikgestaltung oder der Fokus auf frauenspezifische Gesundheitsthemen zeigten auf, dass Diversität und Partizipation nicht nur eine Modeerscheinung sind, sondern in Wissenschaft und Praxis einen wachsenden Stellenwert erfahren. Doch wurde auch festgestellt, dass nicht alle Dimensionen von Diversität gleichermaßen vertreten sind, und gerade die Intersektionalität weiterhin kaum Beachtung findet. Das Panel zu Diversität in Public Health präsentierte die Dimensionen Alter, Behinderung, ethnische Herkunft, Geschlecht, sowie sexuelle Orientierung, und zeigte auf, dass es in allen Dimensionen noch viel Arbeit bedarf, um Menschen und ihren Bedürfnissen Gehör zu verschaffen, adäquate Gesundheitsversorgung zukommen zu lassen und sie in ihrer Selbstbestimmung zu unterstützen.

Public Health ist Teil des täglichen Lebens Neben diesen Themen wurden viele weitere diskutiert, die uns auch in den kommenden Jahren begleiten werden. Wie wichtig die Vermittlung von Gesundheitskompetenz und Public Health Bildung nicht nur für die Allgemeinbevölkerung, sondern auch für Gesundheits- und Sozialberufe ist, ist eines davon. Mit dem Experiment des Public Health Pop-up Village sollte aufgezeigt werden, wo überall Public Health im Alltag vorkommt, und wie Public Health in der Praxis aussieht. Mit fast 200 Schüler*innen und 16 Ständen war es ein voller Erfolg, und wird sicher bei der nächsten Jahrestagung weiterentwickelt.

Schlussendlich ist Public Health eine soziale Wissenschaft, und dem wurde in den informellen Gesprächen, Kaffeepausen und bei der Public Health Party Rechnung getragen. Gemeinsam mit unseren Partner*innen der Medizinischen Universität Innsbruck, dem MCI der unternehmerischen Hochschule, und der UMIT, sowie der Gesundheit Österreich GmbH und der SVS, bedanken wir uns herzlich bei allen Autor*innen und Teilnehmer*innen für ihre spannenden Beiträge.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
05. Dezember 2024

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