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DOI: 10.1055/s-0045-1801983
Gemeinsam auf dem Weg – Familienlots*innen im Öffentlichen Gesundheitsdienst und kommunale Versorgungsnetzwerke zur Stärkung der Versorgung von Kindern mit komplexen Versorgungsbedarfen
Hintergrund: Kinder mit chronischen Erkrankungen nehmen oftmals Leistungen unterschiedlicher Sektoren in Anspruch (z.B. stationäre und ambulante Versorgung, Jugend- und Sozialämter).
Eine unzureichende Koordination zwischen Sektoren sowie eingeschränkte Informationsflüsse zwischen unterschiedlichen Leistungserbringenden können zu vermeidbaren Belastungen für alle Partner im Versorgungssystem führen. Von diesen Reibungsverlusten sind insbesondere Familien mit eingeschränkter navigationaler Gesundheitskompetenz und Kindern mit komplexen Versorgungsbedarfen betroffen. Familienlots*innen könnten die bedarfsgerechte Versorgung unterstützen, indem sie Leistungen zur Versorgungskoordination erbringen und kommunale Versorgungsnetzwerke aus Leistungserbringenden stärken. Im Rahmen eines Pilotprojekts konzeptualisierten wir ein Versorgungsnetzwerk und erprobten den Einsatz von Familienlots*innen in einem Mannheimer Stadtteil. In diesem Beitrag werden die dabei gewonnenen Erfahrungen zum Einsatz von Familienlots*innen in Kommunen sowie Gelingensfaktoren für die erfolgreiche Umsetzung eines Versorgungsnetzwerks zusammengefasst.
Umsetzung: Das Projekt setzte sich aus der fallbezogenen Unterstützung (Case Management) von Familien mit (1) eingeschränkter navigationaler Gesundheitskompetenz und (2) Kindern mit komplexen Versorgungsbedarfen (3-18 Jahre) in einem Mannheimer Stadtteil mit ausgeprägten sozialen Problemlagen durch drei Familienlots*innen (1 Familien Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, 1 Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, 1 Sozialarbeiterin) des Jugendamts und Gesundheitsamts der Stadt Mannheim sowie einer wissenschaftlichen Begleitung (Interviewphase zu den Problembereichen in der Versorgung aus Elternsicht) durch das Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit der Medizinischen Fakultät Mannheim zusammen.
Die Arbeit vor Ort war neben der individuellen Betreuung der Familien durch einen intensiven Austausch mit Netzwerkpartnern gekennzeichnet und fokussierte auf (1) den engmaschigen Austausch mit Leistungserbringenden in unterschiedlichen Sektoren (u.a. Gesundheits-, Bildungs-, Sozialwesen) und (2) die Organisation regelmäßiger Netzwerktreffen, um die Entwicklung eines tragfähigen Versorgungsnetzwerks zu unterstützen.
Diskussion: Die durch wissenschaftliche Interviews herausgearbeiteten Problembereiche der Eltern stellen auch in der Alltagsarbeit des Case Managements die wesentlichen Bedarfe der oben genannten Zielgruppe dar und gehen weit über den Bereich der gesundheitlichen Versorgung hinaus (z.B. Finanz- und Wohnungsproblematiken).
Eine multiprofessionelle Herangehensweise und langjährige Erfahrungen der Familienlots*innen in der Beratung von Familien bilden eine wichtige Grundlage für erfolgreiche Lotsenarbeit. Als ebenso wichtige Voraussetzung in der Familienbegleitung erweist sich die Vernetzung: Persönliche Kontakte, vertrauensvolle Zusammenarbeit in vorherigen Arbeitszusammenhängen, kurze Wege und kollegiale Fallberatung sind Grundpfeiler funktionierender Netzwerkarbeit. Regelmäßige Netzwerktreffen und Hospitationen der Familienlots*innen in Einrichtungen unterschiedlicher Sektoren (u.a. SPZ, KiTa-Sozialarbeit, Praxen) fördern ein vertieftes Verständnis für die Tätigkeitsspektren, organisatorischen Besonderheiten und Grenzen unterschiedlicher Leistungserbringer. Die Erfahrungen aus dem Projekt zeigen, dass die Verknüpfung von Fallarbeit und Netzwerkarbeit gleichermaßen notwendig ist in der Umsetzung eines Versorgungsnetzwerks und in wechselseitiger Abhängigkeit steht. Das reine Case Management bietet keine Grundlage für Verstetigungsansätze und die ausschließliche Netzwerkarbeit schafft selten einen Mehrwert für die konkrete Maßnahmenumsetzung. Die Verstetigung eines Versorgungsnetzwerks erfordert von allen Partnern des Netzwerks einen Beitrag. Dem ÖGD kommt an dieser Stelle eine zentrale Koordinierungsfunktion zu.
Publication History
Article published online:
11 March 2025
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