Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S67-S68
DOI: 10.1055/s-0045-1802025
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
02.04.2025
Gesundheit von Geflüchteten
15:00 – 16:30

Die Gesundheit von Geflüchteten – eine Längsschnittanalyse von Diagnosedaten

B Spieß
1   Gesundheitsamt Bremen
› Institutsangaben
 

Einleitung: Seit knapp zehn Jahren hält sich der Zuzug geflüchteter Menschen nach Deutschland auf hohem Niveau. Alle Neuankommenden, die in staatliche Unterkünfte einziehen, müssen sich nach § 62 AsylG und § 36 IfSG einer medizinischen Erstuntersuchung unterziehen. Im „Bremer Modell“ schließt sich dieser eine medizinische Basis- und Akutversorgung an. Das Gesundheitsamt Bremen erfüllt beide Aufgaben. Ungefähr seit Mitte der 2010er Jahre kommen eher Familien in der Stadt an, während es zuvor vorwiegend alleinstehende und junge Männer waren. Daraus wurde die Notwendigkeit gesehen, das Diagnosespektrum der Geflüchteten näher zu beleuchten, um ihre Versorgungsbedarfe zu identifizieren und so einen Beitrag zur verbesserten Gesundheitsplanung zu leisten.

Methodik: Als Datengrundlage wurden alle Diagnosen aus den medizinischen Erstuntersuchungen und der Akut- und Basisversorgung zwischen den Jahren 2014 und 2023 ausgewählt. Sie sind nach ICD-10 kodiert und mit dem Datum der jeweiligen Diagnosestellung versehen. Dadurch ist eine Längsschnittanalyse möglich. Eingangs wurde der Datensatz um die ICD-Diagnosen U00 bis U99 sowie Z00 bis Z99 reduziert. Dieser Schritt wurde vorgenommen, da es sich bei diesen Codes nicht um Erkrankungen handelt, sondern um anderweitige Faktoren, die zu Inanspruchnahmen des Gesundheitswesens führen. Durch das Heranziehen aller übrigen Diagnosen sind Mehrfachzählungen durch Wiedervorstellungen von Patient:innen möglich.

Als nächstes wurden die Codes A00 bis B99 untersucht, um Aufschluss über das Vorkommen festgestellter Infektionskrankheiten wie bspw. Tuberkulose zu erhalten.

Abschließend wurden die Diagnosen des ICD-10-Kapitels „Z“ hinsichtlich festgestellter Schwangerschaften analysiert.

Ergebnisse: Der beschriebene Datensatz enthält 99.586 Diagnosen (57.926 morbiditätsbezogene Diagnosen, 41.660 Diagnosen aus den ICD-10-Kapiteln „U“ und „Z“), die die Grundgesamtheit der Ergebnisse darstellen. Sie entstammen 87.962 Behandlungskontakten, wovon wiederum etwa ein Viertel (27,2%; n=23.903) auf die Altersgruppe 0-15 Jahre entfallen.

In Bezug auf die Einzeldiagnosen ist Karies (ICD-10-Code: K02.9) über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg am häufigsten diagnostiziert worden, gefolgt von akuten Infektionen der oberen Atemwege (J06.9) und Zahnschmerzen (K08.8). Karies erreichte im Jahr 2023 mit 17,8% aller Diagnosen (n=1.408) seinen höchsten Anteil. Tuberkulose wurde im Analysezeitraum nur selten diagnostiziert (Höchstwert 0,39% (n=30) im Jahre 2015).

Betrachtet man die Diagnosen nach ICD-10-Kapiteln, werden Erkrankungen des Verdauungssystems (Kapitel „K“) bzw. der Atemwege (Kapitel „J“) sowie nicht klassifizierte Symptome (Kapitel „R“) am häufigsten festgestellt. Infektionskrankheiten (ICD-10-Codes A00 bis B99) spielen eine klar untergeordnete Rolle. Mit Scabies /Krätze (ICD-10-Code B86) und Kopflausbefall (ICD-10-Code B85.0) treten hier zwei Erkrankungen am häufigsten auf, deren Erreger weltweit verbreitet sind.

Jedes Jahr wird bei etwa 300 Frauen eine Schwangerschaft festgestellt (ICD-10-Code Z32.1).

Diskussion: Festzuhalten ist, dass die Geflüchteten dem Gesundheitsamt Bremen mit akuten und eher leicht behandelbaren Erkrankungen zur Erstuntersuchung bzw. in der akut- und basismedizinischen Sprechstunde begegnen. Ein Unterschied zum Morbiditätsspektrum der autochthonen Bevölkerung ist nicht zu erkennen. Die gesundheitlichen Versorgungsbedarfe beziehen sich überwiegend auf das zahnmedizinische und das hausärztliche Fachgebiet. Zusätzlich muss die Versorgung der Schwangeren sichergestellt werden. Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit anderen Studienergebnissen steht aktuell noch aus.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. März 2025

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