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DOI: 10.1055/s-0045-1802029
Gesundheitskonferenzen als Instrument des ÖGD zur Vernetzung, Koordination, Kooperation und Steuerung im Gesundheitswesen – ein Überblick zur Umsetzung in Deutschland
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Im Leitbild für einen modernen Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) der Gesundheitsministerkonferenz wurden 2018 Vernetzung, Kooperation, Koordination und Steuerung im Gesundheitswesen als Aufgaben festgeschrieben. Mit kommunalen, sektorenübergreifenden Konferenzstrukturen kann der ÖGD diese Aufgaben übernehmen. Auch der Beirat „Pakt ÖGD“ greift Gesundheitskonferenzen bzw. Gesundheitsregionenplus in seinen Empfehlungen auf – u. a. vor dem Hintergrund von Gesundheitsplanung und -koordinierung. Gleichwohl mangelt es an deren flächendeckenden Umsetzung und bis dato mangelte es an einem umfassenden, deutschlandweiten Überblick über den Umsetzungsstand. Der Beitrag gibt einen Überblick über den Stand der Praxis sowie aktuelle Entwicklungen von Gesundheitskonferenzstrukturen und gibt Empfehlungen für deren Auf-, Ausbau und Weiterentwicklung.
Unter Nutzung wissenschaftlicher Publikationen, grauer Literatur, Gesetzestexte, Richtlinien, Internetressourcen sowie auf Basis einer tabellarischen Erhebung zu den strukturellen, rechtlichen und thematischen Merkmalen von Gesundheitskonferenzstrukturen, wurde deren Entwicklungsstand deutschlandweit narrativ zusammengetragen und als Übersichtsarbeit veröffentlicht (Geuter et al. 2024).
In sieben Bundesländern wurden aktuell kommunale bzw. bezirkliche Gesundheitskonferenzstrukturen identifiziert. Vier dieser Länder haben Gesundheitskonferenzen gesetzlich normiert: Nordrhein-Westfalen (Kommunale Gesundheitskonferenzen seit 1998), Freie und Hansestadt Hamburg (Gesundheitskonferenzen seit 2001), Land Berlin (Gesundheitskonferenzen seit 2006) und Baden-Württemberg (Kommunale Gesundheitskonferenzen seit 2015). Drei dieser Bundesländer weisen Konferenzstrukturen auf Basis landesweiter Förderung auf: Niedersachsen (Gesundheitsregionen seit 2014), Bayern (Gesundheitsregionenplus seit 2015; ab 2025 wird für eine dauerhafte Erfüllung der Aufgaben eine gesetzliche Verankerung im ÖGD angestrebt) und Hessen (Gesundheits- und Präventionskonferenzen seit 2021). Verwandte regionale Gesundheitsnetze wurden in neun weiteren Bundesländern identifiziert.
Die sieben identifizierten Gesundheitskonferenzstrukturen unterscheiden sich im Detail zwischen den Bundesländern u. a. hinsichtlich Ausstattung, Struktur und Aufgaben. Sie bearbeiten als sektorenübergreifenden Netzwerke entsprechend ihres regionalbezogenen Ansatzes und vor dem Hintergrund unterschiedlicher Bedarfslagen zudem ein breites Spektrum an Themen. Zu den gemeinsamen Kennzeichen zählt, dass sie auf Basis der Gesundheitsberichterstattung und von Bedarfsanalysen auf die systematische Verbesserung der ressort- und sektorenübergreifenden Zusammenarbeit in den Handlungsfeldern Gesundheitsförderung/Prävention, Gesundheitsversorgung und Pflege zielen. Über eine enge Verzahnung und Abstimmung regionaler Aktivitäten und Initiativen sollen im Sinne eines ressourcenorientierten, regionalen Gesamtansatzes Synergieeffekte gehoben werden. Die Arbeitsweise der Netzwerke umfasst dabei insbesondere analysierende, beratende, vernetzende und moderierende Funktionen. Sie ist orientiert am gesundheitspolitischen Aktionszyklus. Eine Geschäftsstelle sichert eine funktionsfähige Kooperations- und Koordinierungsstruktur.
Mit Gesundheitskonferenzstrukturen verfügt der ÖGD über ein Instrument, das im Zusammenhang mit Gesundheitsplanung und -koordination wichtige Impulse zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens geben kann. Ihr Alleinstellungsmerkmal liegt darin, Planungs- und Steuerungsprozesse der Gesundheitsförderung und Prävention, medizinischen und pflegerischen Versorgung als Gesamtansatz zu befördern. Gesundheitskonferenzstrukturen können diesbezüglich als thematische Klammer verstanden werden und als „Dach“ gesundheitsbezogener Aktivitäten auf kommunaler Ebene fungieren. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung von „Health in All Policies“, fördern Partizipation und gesundheitliche Chancengleichheit. Allerdings haben bisher nur Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen eine gesetzliche Grundlage zur dauerhaften und einheitlichen Erfüllung der im ÖGD-Leitbild beschriebenen Aufgaben geschaffen oder setzen diese aktuell um. Um den kommunalen ÖGD für die im Leitbild konsentierten Aufgaben flächendeckend zu befähigen und die Bindungswirkung von Beschlüssen zu erhöhen, wären u. a. eine gesetzliche Verankerung von Gesundheitskonferenzstrukturen in allen Gesundheitsdienstgesetzen der Länder, eine klare Mandatierung und Aufgabenbeschreibung sowie eine auskömmliche personelle und sachliche Ausstattung notwendig.
Publication History
Article published online:
11 March 2025
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