Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S72
DOI: 10.1055/s-0045-1802034
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
03.04.2025
Potenzial der Abwasseruntersuchung für den Bereich der Öffentlichen Gesundheit
08:30 – 10:30

Abwasserbasierte Epidemiologie von Drogenrückständen. Erkenntnisse aus 10 Jahren Forschung und in Begleitung der Einführung des Cannabisgesetzes

B Helm
1   TU Dresden, Professur Siedlungswasserwirtschaft
,
R Oertel
2   Technische Universität Dresden, Institut für Klinische Pharmakologie
,
B Renner
2   Technische Universität Dresden, Institut für Klinische Pharmakologie
› Author Affiliations
 

Die Entkriminalisierung des privaten und nichtgewerblichen Anbaus, Besitzes und Konsums von Cannabis stellt eine grundlegende Änderung im Umgang mit diesem Rauschmittel dar, deren Auswirkungen auf das Konsumverhalten schwer vorherzusehen ist. Die Abwasser-basierte Epidemiologie (ABE) hat sich in den vergangenen zehn Jahren als Methode etabliert, um zeitliche und räumliche Unterschiede in der Prävalenz und Intensität von u.a. Substanzkonsum [1] und Krankheiten [2] zu überwachen. Der Untersuchungsansatz eignet sich auch, um die Auswirkung von Maßnahmen und Interventionen zu bewerten. Beispielsweise existieren zahlreiche Auswertungen zum veränderten Rauschmittelkonsum im Rahmen der Corona-Epidemie [3]. Kanada [4] und der US-Bundesstaat Washington [5] nutzten den Ansatz zur Bewertung der Konsumveränderung während der Cannabis Legalisierung.

Seit Dezember 2023 untersuchen Forscher der TU Dresden im Rahmen einer Förderung des Bundesgesundheitsministeriums das Abwasser von deutschlandweit 26 Standorten und erfassen damit 9,8 Mio. Einwohner. Im Zulauf von Kläranlagen werden dort Tagesmischproben entnommen. Analytisch kommt ein Verfahren der Hochleistungschromatographie mit anschließender Tandem-Massenspektroskopie zum Einsatz. Dabei wird der Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) über das Metabolit THC-COOH nachgewiesen. Zusätzlich werden Ausscheidungen der Substanzen Kokain (als Metabolit Benzoylecgonin), Heroin, Methamphetamin, Amphetamin und MDMA (Ecstasy), Nikotin (als Metabolit Cotinin) analysiert. Die ermittelten Konzentrationen werden auf einwohnerspezifische Tagesfrachten normiert und in Bandbreiten wahrscheinlicher Konsumeinheiten rückgerechnet.

Erste Ergebnisse zeigen, dass die mittleren Tagesfrachten der THC-Rückstände zwischen 46 µg je Einwohner und 238 µg je Einwohner und Tag liegen. Damit rangieren die Deutschen Standorte im Vergleich zu den Ergebnissen der SCORE-Untersuchung 2023 im oberen Bereich der Europäischen Standorte. Im Vergleich zu anderen Rauschmitteln, weisen die Tagesfrachten eine relativ geringe Varianz zwischen den Standorten auf. In der Phase vor Einführung des Cannabisgesetzes sind keine konsistenten und signifikanten Trends in den Tagesfrachten erkennbar, so dass der Zeitraum als repräsentativ für eine baseline-Erhebung angenommen werden kann.



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Article published online:
11 March 2025

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