Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S96-S97
DOI: 10.1055/s-0045-1802087
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
03.04.2025
Prävention, Gesundheitsförderung, Gesundheitsplanung und Gesundheitsversorgung zusammen denken!
11:00 – 12:30

Rolle und Möglichkeiten der Kommunalen Gesundheitskonferenz bei der Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung auf Landkreis-Ebene in Baden-Württemberg

E Dreher
1   Landratsamt Bodenseekreis, Gesundheitsamt, Geschäftsstelle Kommunale Gesundheitskonferenz, Friedrichshafen
,
N Pottharst
1   Landratsamt Bodenseekreis, Gesundheitsamt, Geschäftsstelle Kommunale Gesundheitskonferenz, Friedrichshafen
,
O Schäfer
1   Landratsamt Bodenseekreis, Gesundheitsamt, Geschäftsstelle Kommunale Gesundheitskonferenz, Friedrichshafen
› Institutsangaben
 

Der demographische Wandel führt in Verbindung mit dem allgemeinen Fachkräftemangel und den eingeschränkten Kompensationsmöglichkeiten zu einem zunehmenden Versorgungsbedarf. Wegen seiner lokalen Besonderheiten besteht im Bodenseekreis zudem die Gefahr der Abwanderung von Fachpersonal in die umliegenden Staaten. Die aktuelle Entwicklung der medizinischen und pflegerischen Versorgung und die zunehmend an das Gesundheitsamt herangetragenen Problemanzeigen veranlasste 2022 die Kommunale Gesundheitskonferenz (KGK), sich diesem Thema zu widmen.

Die KGK ist in Baden-Württemberg ein seit 2008 etabliertes Instrument zur strategischen und systematischen Bearbeitung von Themen der Gesundheitsförderung, Prävention und medizinischen sowie pflegerischen Versorgung. Die KGK im Bodenseekreis hat 2022 den Beschluss gefasst, das Thema der medizinischen Versorgung im Bodenseekreis voranzubringen. In einem partizipativen Prozess unter Beteiligung aller KGK-Mitglieder wurden in Kleingruppenarbeit die Handlungsfelder „Sektorenübergreifende Zusammenarbeit“ und „Digitalisierung/Telemedizin“ herausgearbeitet. Im Verlauf des Jahres 2023 wurde daher ein Schwerpunkt auf die Förderung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit mittels Telemedizin gesetzt. In enger Zusammenarbeit mit externen Experten und den maßgeblichen Akteuren im Bodenseekreis wurden erste Schritte zur Umsetzung einer sektorenübergreifenden Zusammenarbeit und Optimierung der Versorgung entwickelt.

Die KGK forciert in einem agilen Prozess zur nachhaltigen Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung im Bodenseekreis verschiedene Maßnahmen, die das künftige „Bodensee-Modell“ abrunden sollen:

  • Stakeholderanalyse

  • Nachwuchsförderung und -gewinnung von Fachpersonal: Etablierung eines Weiterbildungsverbundes Allgemeinmedizin und Moderation im Prozess der Nachbesetzung von Arztsitzen.

  • Sektorenübergreifende integrierte Versorgung mit Digitalisierung: Televisite-Projekt, Steuerungsgruppe „Telematikinfrastruktur“, genossenschaftliche MVZ.

  • Aufbau eines Versorgungsnetzes, ausgegliedert aus der KGK.

Zudem wird eine strukturierte Einbindung und Stärkung von Gesundheitsförderung und Selbsthilfestrukturen in die wohnortnahe gesundheitliche Versorgung sowie die Stärkung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit durch Digitalisierung im Bodenseekreis forciert. Die KGK ist ein Steuerungsgremium, welches über bedarfsorientierte, kommunale Analysen und Handlungsempfehlungen zu Gesundheitsfragen berät und die Umsetzung von zielgerichteten Maßnahmen unterstützt. Die Geschäftsstelle liegt im Bodenseekreis im Sachgebiet „Gesundheitsplanung“.

Die methodische Arbeit der Gesundheitsplanung folgt dem Public-Health-Action-Cycle: Bedarfsgerechte Festlegung, Umsetzung und Evaluation von Handlungsempfehlungen, Maßnahmen und Zielen sowie die Definition von Schnittstellen einschließlich der Koordinierungs- und Vernetzungsbedarfe.

Ein weiteres Arbeitsfeld liegt in der Gesundheitsberichterstattung und dem Gesundheitsmonitoring. Durch Anwendung von qualitativen und quantitativen Methoden können die Prozesse agil ausgelegt werden. Durch Auswertung aktueller Daten kann flexibel auf aktuelle Entwicklungen kreisweit reagiert werden. Es erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Der Landkreis kann sich durch eine koordinierende und moderierende Funktion für die Sicherung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung positionieren. Zudem können die Kommunen mit flankierenden Angeboten vor allem dafür sorgen, dass die dezentrale, flächendeckende medizinische und pflegerische Versorgung erhalten bleibt und ausgebaut wird. Aus kommunalrechtlicher Sicht ist die ärztliche Versorgung der Bevölkerung als Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge von existenzieller Bedeutung. Unabhängig vom Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen sind die Kommunen Adressaten für die Formulierung lokaler Versorgungsbedarfe.

Die dargestellten Maßnahmen der nachhaltigen Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung sollen in einem sogenannten „Bodensee-Modell“ im Rahmen einer gestuften koordinierten und integrierten Versorgung zukünftig ausgebaut und umgesetzt werden. Das Bodensee-Modell ist konzipiert durch ein modulares Vorgehen (Baukastenprinzip), welches in agilen Prozessen ein reaktives Handeln auf aktuelle Entwicklungen unter Einbeziehung bestehender Strukturen ermöglicht und somit Parallelentwicklungen und Konkurrenzsituationen vermeidet.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. März 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany