Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S106
DOI: 10.1055/s-0045-1802109
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
03.04.2025
Postersitzung Umweltmedizin
13:30 – 15:00

Das HIRGEV-Projekt – ein erster Einblick in die reale Lebenswelt von älteren Personen in Frankfurt bei Hitze

Authors

  • K Duggan

    1   Gesundheitsamt Frankfurt am Main
  • N Mezger

    2   Centre for Planetary Health Policy
  • S Heidenreiter

    3   Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften, Universität Bayreuth
  • M Lauerer

    3   Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften, Universität Bayreuth
  • P Tinnemann

    1   Gesundheitsamt Frankfurt am Main
  • A Christ

    1   Gesundheitsamt Frankfurt am Main
 

Einleitung: Hitzeassoziierte Morbidität und Mortalität steigen auch in Deutschland1. Hitzeereignisse sind das höchste Klimarisiko für die menschliche Gesundheit und ältere Menschen gelten als besonders vulnerabel1,2. Die Sensibilisierung der Bevölkerung für gesundheitliche Risiken durch Hitze wird als wichtige präventive Maßnahme verstanden, wenngleich ihr tatsächlicher Einfluss auf das individuelle Verhalten nicht abschließend untersucht ist.

Zur Ableitung der Gesundheitsresilienz bzw. Anpassungskapazität an den Klimawandel wird im Rahmen der deutschlandweiten HIRGEV-Studie3eine Erhebung zur realen Lebenswelt der älteren Bevölkerung in Bezug auf Hitze durchgeführt. Diese erfasst das spezifische Hitzeerleben, den Umgang mit Hitze und die Verfügbarkeit und Nutzung von Hilfsmitteln bzw. Anpassungsmaßnahmen in der Stadt Frankfurt am Main und im ländlichen Umkreis. Gleichzeitig soll die Effektivität von bereits etablierten Hitzeschutzmaßnahmen evaluiert werden.

Methodik: Zielgruppe der Befragung sind Personen im Alter von 65+, die in der Stadt Frankfurt oder einem umliegenden Landkreis leben und die Fragen eigenständig beantworten können. Die Umfrage richtet sich gleichermaßen an Personen, in betreuten Pflegeeinrichtungen (berechnete Fallzahl: N=250; Power 0.8 (1-beta err. Prob.); alpha-Fehler 0.05) und Personen im eigenen häuslichen Umfeld (berechnete Fallzahl: N=82; Power 0.8 (1-beta err. Prob.); alpha-Fehler 0.05; Effektstärke 0.4 (Cohens d)). Zusätzlich erfolgt eine Befragung des Leitungspersonals der Pflegeeinrichtungen.

Zur Befragung der Einrichtungsleitungen wurde der hitzebezogene Prüfungsfragebogen des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales adaptiert und weiterentwickelt4. Die semi-strukturierten Fragebögen (online und in Papierform verfügbar) für die in Betreuung und im häuslichen Setting lebenden Personen wurden unter Aspekten der empirischen Validierung, praktischen Reliabilität und wissenschaftlichen Qualität entwickelt, angepasst an die jeweilige Lebenssituation. Sie beinhalten u.a. Fragen zum Gesundheitszustand, zum sozioökonomischem Status, zur Wohnsituation, zum Umgang mit Hitze und zur sozialen Einbindung. Anhand dieser Primärdaten soll der Einfluss bestehender Klimaanpassungsmaßnahmen auf die hitzebedingte Vulnerabilität der verschiedenen Personengruppen analysiert werden. „Vulnerabilität“ definiert sich hierbei nach Selbsteinschätzung zum Gesundheitszustand, Zugang zu sozialen Netzwerken (Nachbarschaft, Familie etc.), bestehender Gesundheitskompetenz, Zugang zu/Beschaffung von Informationen, und (hitzeassoziierter) Morbidität.

Ergebnisse: Bereits in der aktuellen Pilotierungsphase zeichnen sich erste Ergebnisse zu Hitzeerleben und Anpassungsverhalten ab. Wie erwartet ist der Belastungsgrad durch Hitze individuell unterschiedlich, unerwartet ist die z.T. festzustellende Unkenntnis von Verhaltensmaßnahmen im Umgang mit Hitze.

Diskussion: Das Land Hessen hat bereits zahlreiche Hitzeschutzmaßnahmen eingeführt5, auch in betreuten Einrichtungen zählen diese zum Alltag. Unklar bleibt, ob diese zum Schutz der vulnerablen älteren Bevölkerungsgruppe ausreichen. Daher wird zusätzlich – unabhängig von den Befragungen – für Stadt und Umland ein hitzeassoziiertes Monitoring (Analyse hitzebedingter Mortalität und Morbidität) mit Sozialraumfokus durchgeführt. Hierbei werden Daten zur Sterblichkeit (Hessisches Landesministerium für Gesundheit und Pflege) sowie zur Morbidität (IVENA) analysiert-. Zusätzlich werden in Ergänzung zu Daten des DWD Klimadaten vom Hessischen Landesministerium für Natur, Umwelt und Gesundheit eingeholt. Im Monitoring kommen Methoden der deskriptiven und multivariaten (räumlichen) Statistik zur Anwendung.

Wir erhoffen uns aus der Zusammenschau von Vollbefragung und Hitzemonitoring Erkenntnisse zur Entwicklung und Umsetzung regionalspezifischer Klimaanpassungsmaßnahmen zur Erhöhung der Gesundheitsresilienz vulnerabler Räume. In greifbarer Zukunft sollen dann Handlungsempfehlungen mit gezielten Maßnahmen abgeleitet werden, die der hitzeassoziierten Mortalität und Morbidität aktiv entgegenwirken.



Publication History

Article published online:
11 March 2025

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