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DOI: 10.1055/s-0045-1802207
ACHTUNG SKABIES: Detektion und Behandlung von Erkrankten bzw. Krankheitsverdächtigen sowie relevanten Kontaktpersonen im Rahmen eines Skabies-Ausbruches in einem Pflegeheim im Landkreis Bautzen – Herausforderungen für den ÖGD
Hintergrund: Es folgt die Vorstellung einer Fallserie von Skabiesinfektionen in einem Pflegeheim im Flächenlandkreis Bautzen. An dieser soll demonstriert werden, welchen Stellenwert die klare Diagnosestellung hat und was bei der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren wesentliche Erfolgsfaktoren sind. Im Ergebnis werden offene Fragestellungen benannt und andiskutiert.
Fallbeschreibung: Im August 2022 traten in einem Pflegeheim (< 60 Bewohner) zunächst bei einem Bewohner unspezifische Hautveränderungen auf. Im weiteren Verlauf wurden drei weitere Heimbewohner mit Hautveränderungen auffällig. Mitte September 2022 erfolgte bei Verdacht auf Skabies die topische Behandlung der Betroffenen inklusive Hygienemaßnahmen und Nachbehandlung entsprechend der Leitlinien. Trotz der konsequenten Behandlung bestanden die Beschwerden bei einigen Heimbewohnern fort. Zeitgleich entwickelten weitere Heimbewohner unbemerkt ähnliche Hautveränderungen. Gemeldet wurde das Geschehen erneut, weil eine Heimbewohnerin im Januar 2023 stationär eine Skabies crustosa diagnostiziert bekam. Es folgte eine umfangreiche Begehung, bei der neben der Kontaktpersonenermittlung auch bisher unbeachtete Infektionsverläufe und Übertragungsmechanismen thematisiert wurden. Im Ergebnis bestand der begründete Verdacht auf ein ausgeprägtes Ausbruchgeschehen. Es folgte im Rahmen der infektionsepidemiologischen Ermittlungsarbeit die Bildung eines „Ausbruchstabs“. Involviert waren: Gesundheitsamt, Geschäftsführer, Pflegedienstleitung, Hygienefachkraft; später Haus- und Hautärzte sowie Betriebsmedizin. Die Untersuchung aller Bewohner:Innen und Beschäftigten stand am Anfang. Es wurden bei 35 Mitarbeitern und 32 Heimbewohnern teilweise seit mehreren Wochen bestehende auffällige Befunde festgestellt. Folgende Behandlungsvariante wurde durchgeführt: bei klinischen Symptomen kombinierte Behandlung mit Permithrin und Ivermectin (zweimalige Wiederholung), alle Kontaktpersonen ohne Symptomatik topischer Behandlung (einmalige Wiederholung). Auch die externen Leistungserbringer (Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie, etc.) und alle Angehörigen wurden nachweislich in den Prozess der Eindämmung/Behandlung eingebunden. Zur koordinierten Ausgabe der Medikamente in einem eng definierten Zeitfenster wurden die ansässigen Apotheken eingebunden. Gleichzeitig wurden umfassende Hygienemaßnahmen definiert und durchgeführt, z.B. Behandlung der textilen Fußböden in den Bewohnerzimmern, Behandlung von Bettzeugs, Matratzenbehandlung. Letztmalig kam es am 5. April 2023 zu einem rasch eindämmbaren Einzelrezidiv.
Diskussion: Ein Problem in dieser Fallserie war u.a. die sichere Diagnostik der Skabies. Hier gilt es zukünftig überregional effiziente Lösungsansätze zu etablieren. Denkbar wären z.B. Telemedizin und Videosprechstunden bei etablierten Fachärzten, besser geschultes/beteiligtes Pflegepersonal oder die Etablierung und Vorortauswertung von Klebefilmpräparaten. Die Klärung und öffentliche Bekanntgabe der Behandlungsfinanzierung der relevanten Kontaktpersonen ist ein weiterer zentraler Themenschwerpunkt. Diese ist zwar infektionshygienisch unstrittig, wird aber eher zurückhaltend durchgeführt, solange den verordnenden Ärzten Regresse drohen. Auch Gesundheitsämter können hier wegen fehlender Refinanzierung auf kommunaler oder städtischer Ebenen nicht kompensieren. Solange solche Unsicherheiten bestehen und adäquate Lösungsansätze auf Landes- und Bundesebene nicht konsequent verfolgt werden, könnte es zu einer schleichenden Besiedlung weiterer Teile der Bevölkerung kommen.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
11. März 2025
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