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DOI: 10.1055/s-0045-1802233
Untersuchungen von Prostituierten nach §19 IfSG im Gesundheitsamt der Stadt Nürnberg – Entwicklung von der amtlichen Zwangsuntersuchung zur freiwilligen, anonymen und kostenfreien Beratung und Untersuchung mit Bordellsprechstunden
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Die Fachstelle sexuelle Gesundheit (FSG) wurde 1987, damals als Anonyme AIDS-Beratungsstelle am Gesundheitsamt der Stadt Nürnberg etabliert. Bis zum Jahr 2005 gab es im Gesundheitsamt Nürnberg zwei getrennte Beratungsstellen für STI und AIDS. Zum einen fanden im Erdgeschoss bis zur Einführung des IfSG 2001 u.a. die Zwangsuntersuchungen der Prostituierten auf Grundlage des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (GKrG) statt. Zum anderen basierte das Testangebot der AIDS-Beratungsstelle im ersten Stock bereits seit der Gründung auf Anonymität und war kostenfrei. Mit der Neuformulierung des IfSG im Jahr 2000 kamen Beratung und Untersuchung zu sexuell übertragbaren Infektionen zur klassischen HIV/AIDS-Beratung hinzu. Beide Abteilungen wurden 2005 als Beratungsstelle für STI und AIDS auf der Grundlage des § 19 IfSG zusammengelegt. Vor 10 Jahren wurde der Angebotskanon der Fachstelle auf sexuelle Gesundheit erweitert und 2017 die gesundheitliche Beratung gem. §10 ProstSchG aufgenommen.
Der §19 des Infektionsschutzgesetzes sieht seit 2001 Beratung und Testung auf sexuell übertragbare Infektionen durch das Gesundheitsamt vor. Insbesondere für Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko für sich oder andere soll dieses Angebot auch aufsuchend angeboten werden. Die Fachstelle sexuelle Gesundheit des Gesundheitsamtes Nürnberg setzt dies seit 2012 in Form von Bordellsprechstunden um. Durch ein niedrigschwelliges Test- und Untersuchungsangebot vor Ort, sollen Personen mit erhöhtem Risiko (in diesem Fall Prostitution) besser erreicht werden. Im Jahresvergleich von 2000 bis 2023 zeigt sich, dass durch dieses Angebot in Kombination mit der offenen Sprechstunde im Amt wieder mehr Prostituierte erreicht und mehr Infektionen entdeckt werden.
Aufgrund der Einschränkungen während der Corona-Pandemie musste das Testangebot der FSG zwischenzeitlich geschlossen werden und 2021/2022 fanden keine Bordellsprechstunden statt. Dadurch wurden weniger Prostituierte erreicht. Danach konnte wieder ein Anstieg an Testungen bei Sexarbeitenden verzeichnet werden. Insbesondere Personen, die das kostenlose Testangebot der Fachstelle zuvor noch nicht in Anspruch genommen haben, wurden wieder besser erreicht. Besonders hervorzuheben ist, dass bei den Nürnberger Bordellsprechstunden nicht nur ein Gespräch vor Ort, sondern auch Blut- und Abstrichuntersuchungen angeboten werden. Dabei ist ein wertschätzender und vertrauensvoller Umgang mit den Prostituierten wichtig, um den Zugang zu den Menschen zu behalten und weiterhin für die Gesundheit der Einzelnen zu sorgen. Daneben pflegt die FSG ein Netzwerk mit allen relevanten Beratungsstellen aus dem Bereich Prostitution, anderen Ämtern in der Region und zum Teil mit den Betreibenden der Bordelle, um über die Situation vor Ort und die gesundheitlichen Bedürfnisse der Prostituierten zu kennen.
Die FSG als Teil des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sieht sich vor verschiedenen Herausforderungen in Bezug auf den Gesundheits- und Infektionsschutz im Bereich Prostitution. Zunächst muss nach den Corona-Einschränkungen wieder ein Zugang gefunden und das Testangebot der Gesundheitsämter bekannt gemacht werden. Außerdem hat auch die politische Diskussion über die Gesetzeslage einen Einfluss auf die Arbeit. Die Evaluation des ProstSchG muss abgewartet werden. Weiterhin bilden Prostituierte eine besonders vulnerable Gruppe, mit hohem Infektionsrisiko für sexuell übertragbare Infektionen und hohem Bedarf an ärztlicher Versorgung, da nur begrenzt Krankenversicherungsschutz besteht.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
11. März 2025
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