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DOI: 10.1055/s-0045-1802236
Windpocken in Schule und Kita – Daten aus der kommunalen Praxis zum Umgang mit Kontaktpersonen außerhalb des Haushaltes
Authors
Hintergrund: Die Zahl der an Windpocken Erkrankten steigt postpandemisch wieder an. Das RKI empfiehlt in seinem Ratgeber zu Windpocken, die Maßnahmen im Umgang mit Kontaktpersonen (KP) auch auf Kontaktpersonen außerhalb des Haushaltes anzuwenden. Die Umsetzung von Maßnahmen für diese KP obliegt hierbei der Entscheidung des zuständigen Gesundheitsamtes. Derzeit setzen wir die vom RKI empfohlenen Betretungsverbote auch für KP außerhalb des Haushalts um. Ziel ist, aus den Ermittlungsdaten künftige amtsinterne Handlungsempfehlungen für den Umfang der KP-Nachverfolgung abzuleiten.
Methodik: Vom 1. Januar bis 31. Dezember 2024 sollen u.a. die Anzahl der (ärztlich oder labormedizinisch bestätigten) Fälle, Folgefälle und Betretungsverbote sowie der Impfdurchbrüche innerhalb der Region Kassel deskriptiv ausgewertet werden.
Zwischenergebnis: Bis zum 30. September 2024 wurden 86 Fälle gemeldet, davon waren zwei Meldungen nach § 7 IfSG, alle anderen nach § 6 IfSG (zumeist nachermittelte Erstinformationen aus Gemeinschaftseinrichtungen). Beide nach § 7 IfSG gemeldeten Fälle wurden stationär wegen eines schweren Verlaufs versorgt (2,3 % der Erkrankten). 20 der gemeldeten Fälle waren Impfdurchbrüche (23,26 %), während der Großteil der gemeldeten Fälle (insgesamt 50,65 %) nicht geimpft war. Zum Rest lagen keine Impfdaten vor. Bei 70 von insgesamt 86 Fällen war meist keine vorangegangene Infektionsquelle bekannt (Ausgangsfälle), hieraus ergaben sich insgesamt 16 Folgefälle (22,9 %), welche im Mittel 12,6 Tage (6 bis 18 Tage) nach dem Kontakt erkrankten. Bei 43 Fällen (50 %) mussten Ermittlungen in Gemeinschaftseinrichtungen erfolgen, hierfür wurde bei mehr als 3000 KP Ermittlungen zum Impfstatus und Kontaktsetting durchgeführt. Angebote für eine postexpositionelle (PE) Impfung wurden wahrgenommen. Zweimalig kam es trotz formal rechtzeitiger PE Impfung zum Vollbild der Erkrankung. Es wurden 43 Betretungsverbote für Gemeinschaftseinrichtungen ausgesprochen. 8 Personen der 16 Folgefälle erkrankten während des Betretungsverbotes, somit konnte die Infektionskette bei 50 % der Folgefälle durch diese Maßnahme unterbrochen werden. Die anderen 8 Folgefälle befanden sich nicht im Betretungsverbot, da eine Immunität vorlag oder bereits vor Ermittlungsbeginn infiziert waren. Weitere Folgeinfektionen sind uns daraus nicht bekannt. Die 16 Folgefälle konnten per se nicht verhindert werden, da die Ansteckung bereits vor Beginn der Ermittlungen erfolgte.
Fazit: Größere Ausbruchsgeschehen konnten wir in Einrichtungen nicht beobachten. Zwar konnten Folgefälle mutmaßlich durch Betretungsverbote verhindert werden, allerding sind uns auch bei den Fällen ohne Betretungsverbote keine weiteren Folgeinfektionen bekannt. Das Betretungsverbot hat in Bezug auf die aktive Unterbrechung von Infektionsketten im Vergleich zum „normalen Verlauf“ bisher keinen zahlenmäßig nachweisbaren Effekt gebracht. Demgegenüber stehen 81,4% Betretungsverbote ohne Folgeinfektion und der sehr hohe Personalaufwand, jedoch konnten Positive Effekt erzielt werden. Um diese Ergebnisse zu verifizieren, benötigt es unserer Meinung nach längerfristige, größere und überregionale Beobachtungsstudien. Dabei sollten weitere Parameter genauer betrachtet werden (Impfdaten mit Impfstoff, Anzahl aller Kontaktpersonen, wahrgenommene (PE-) Impfungen).
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
11. März 2025
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