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DOI: 10.1055/s-0045-1802259
Konversionsbehandlungen – eine unterschätzte Gefahr?!
Hintergrund: Konversionsbehandlungen – Maßnahmen, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität einer Person zu ändern oder zu unterdrücken – umfassen unterschiedlichste Verfahren. Sie können unterschiedlich motiviert und begründet sein – von pseudowissenschaftlichen Behauptungen bis hin zu religiösen Ansichten. Ihnen gemein ist jedoch die Tatsache, dass die Folgen solcher Pseudotherapien Ängste, Isolation und Depressionen sind, die bis zu Suizid führen können. Schon die grundlegenden Annahmen einer Behandelbarkeit und Behandlungsbedürftigkeit sind nicht mit internationalen Standards, etwa der WHO, vereinbar (vgl. Bundesstiftung Magnus Hirschfeld 2019: 2f.), weshalb 2020 das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen (KonvBehSchG) beschlossen wurde. Es verbietet u.a. die Durchführung von Konversionsbehandlungen für Jugendliche bis 18 Jahren sowie für Personen, deren Einwilligung auf einem Willensmangel beruht.
Dennoch wird die Präsenz von Konversionsbehandlungen in Deutschland unterschätzt. Betrachtet man aktuelle Studien und Schätzungen zum Auftreten von Konversionsbehandlungen, so sind diese nach wie vor relevant – die EU verweist darauf, dass EU-weit 24 % der queeren Personen bereits Erfahrungen damit machen mussten – in Deutschland sind es sogar 28 % (FRA 2024). Wie kann also dieser Situation entgegengewirkt werden?
Umsetzung: Auf Bundesebene sieht §4 KonvBehSchG ein Beratungs- und Informationsangebot durch die BZgA vor, welches in die etablierte Initiative LIEBESLEBEN zur Förderung sexueller Gesundheit integriert wurde. Der Schutz vor Konversionsbehandlungen wird seitdem in einem ausgewogenen Medien- und Maßnahmen-Mix fokussiert: Dies umfasst zum einen Maßnahmen, die stärker auf die Vermittlung wissensbezogener Botschaften, etwa zum gesetzlichen Verbot, oder auf die Stärkung eines selbstakzeptierenden Verhaltens queerer Personen zielen. Zum anderen werden Maßnahmen umgesetzt, die einen Beitrag zur Bildung von Normen sowie zum Empowerment leisten und damit die Grundlage für nachhaltige Veränderung darstellen.
Beides geschieht auf unterschiedlichen Ebenen und es werden sowohl massenmediale Kanäle, Social-Media- und PR-Maßnahmen, als auch tiefergehende kommunikative Angebote, etwa in der Onlinekommunikation über www.liebesleben.de genutzt. Ein Kernstück ist dabei die personalkommunikative Telefon- und Onlineberatung von LIEBESLEBEN (vgl. auch Sonnefeld/Piesch/Breuer 2024). Doch auch verhältnisbezogene Dimensionen werden berücksichtigt, etwa indem Materialien für Fachkräfte des ÖGD und anderer Stellen zur Verfügung gestellt werden.
Diskussion: Nichtsdestotrotz besteht weiterhin ein großer Bedarf, das Thema als solche präsent zu machen und in seiner Tragweite zu verdeutlichen. Der ÖGD und seine Netzwerke können hier eine wichtige Rolle spielen. Zum einen sind Gesundheitsämter je nach Landesregelung für Ordnungswidrigkeitenverfahren nach §6 KonvBehSchG zuständig. Zum anderen ist der ÖGD schon in verschiedenen Tätigkeitsfeldern zur Förderung der Gesundheit queerer Personen engagiert – etwa im Rahmen der HIV-/STI-Prävention, im KJGD oder bei der Organisation spezifischer Fach- und Aktionstage.
In dem Vortrag soll daher diskutiert werden, was es braucht, um den Schutz vor Konversionsbehandlungen lebensnah in den Gesundheitsämtern vor Ort zu stärken. Herausfordernd können zum einen kommunikative Fallstricke – schon durch die Unbekanntheit des Begriffs Konversionsbehandlungen und die Komplexität des Phänomens – sein, die in der konkreten Umsetzung von Maßnahmen immer neu zu lösen sind. Zum anderen können auch das politische Klima hinsichtlich des Erstarkens fundamental-religiöser oder rechter Ideologien zu Problemen führen. Daher braucht es die vielfach bereits vorhandenen, starke Netzwerke des ÖGD, um diesen Herausforderungen zu begegnen.
Publication History
Article published online:
11 March 2025
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