Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S182
DOI: 10.1055/s-0045-1802274
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
04.04.2025
Zahnmedizin – Block 5
08:45 – 10:00

Identifikation von Aussprachestörungen und orofazialen myofunktionellen Störungen bei Kindern im Rahmen der zahnärztlichen Reihenuntersuchungen

S Hahn
1   Stadt Bochum Gesundheitsamt, Zahnärztlicher Dienst, Bochum
,
A Dohmen
2   Hochschule für Gesundheit, Department für angewandte Gesundheitswissenschaften, Logopädie, Bochum
› Institutsangaben
 

Hintergrund: Zu den Sprachentwicklungsstörungen zählen bedeutsame Abweichungen von der unauffälligen Sprachentwicklung in den Bereichen Wortschatz, Grammatik und Lautsystem. Hier liegt die Prävalenz laut Norbury et al. bei ca. 10% [1]. Auch Artikulationsstörungen, d.h. sprechmotorische Probleme bei der Aussprache von Lauten, sowie orofaziale myofunktionelle Störungen finden sich häufig im Kindesalter [2, 3]. Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen gehören demnach zu den häufigsten Entwicklungsauffälligkeiten im Kindesalter.

Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen können sich negativ auf soziale Interaktionen, den Bildungsverlauf, die Erwerbstätigkeit sowie Zahn- und Kieferstellungen auswirken. Um diese Folgen zu vermeiden, sollten die beschriebenen Auffälligkeiten früh genug identifiziert und bei Bedarf therapiert werden.

Zusätzlich zu den routinemäßig durchgeführten pädiatrischen Vorsorgeuntersuchungen (zum Beispiel U7 und U7a) und der geschulten Wahrnehmung von Pädagog*innen, haben auch die Reihenuntersuchungen des Zahnärztlichen Dienstes das Potenzial zur frühen Identifikation von Aussprachestörungen und orofazialen myofunktionellen Störungen beizutragen. Besonders ist dabei, dass an den zahnärztlichen Reihenuntersuchungen potenziell auch Kinder teilnehmen, die bisher noch keinen oder nur unregelmäßigen Zugang zu Vorsorgeuntersuchungen außerhalb der pädagogischen Institutionen hatten.

Umsetzung: In diesem Vortrag wird die Umsetzung einer orientierenden Einschätzung der Ausspracheleistungen und/oder myofunktionellen Fähigkeiten von Kindern im Rahmen der zahnärztlichen Reihenuntersuchungen des Zahnärztlichen Dienstes zur Identifikation von Risikokindern skizziert. Die Einschätzung erfolgt in der Regel durch einfache altersgemäße Fragen, z.B. nach dem Alter und dem Namen des Kindes, sowie eine kurze Kommunikation zwischen Kind und Untersucher#ast#in. Bei der Inspektion des Mundraums können zudem Folgeerscheinungen einer Zungenfehlfunktion, wie z.B. ein offener Biss, sowie Fehlfunktionen des Schluckens erkannt werden.

Kinder, die mit dem Verdacht auf eine Sprach-, Sprech- und/oder Schluckstörung identifiziert werden, erhalten im Anschluss an die Untersuchung eine Empfehlung für eine detaillierte logopädische Differentialdiagnostik und ggfs. Therapie.

Leider spielen logopädische Krankheitsbilder in der Lehre der Universitäten während des Zahnmedizinstudiums, wenn überhaupt, eine eher kleine Rolle. Die Entscheidung zur Empfehlung einer logopädischen Behandlung hängt somit häufig allein von der Erfahrung des/der Untersuchenden ab. Deshalb werden in diesem Vortrag auch Grundkenntnisse zu den Symptomen, der Prävalenz und Therapierelevanz der oben beschriebenen logopädischen Störungsbilder zusammengefasst. Diese dienen als Wegweiser für die Entscheidung, welche Kinder mit welchen Auffälligkeiten in welchem Alter von einer Weiterversorgung durch eine logopädische Praxis profitieren würden.

Diskussion: Die Erfahrung des ZÄD Bochum zeigt, dass die viele Kinder, bei denen wir während der zahnärztlichen Untersuchung einen logopädischen Behandlungsbedarf identifizieren, noch nicht logopädisch versorgt sind. Diese Kinder profitieren potenziell von einer logopädischen Versorgungsempfehlung durch die Mitarbeitende der Zahnärztlichen Dienste. Neben dem Ziel der Zahn- und Mundgesundheit kann der Zahnärztliche Dienst durch die skizzierte zeitökonomische Einschätzung einen wichtigen Beitrag zur Vorbeugung von negativen Auswirkungen logopädischer Auffälligkeiten auf die gesellschaftliche Teilhabe der Kinder leisten.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. März 2025

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