Deutsche Zeitschrift für Akupunktur 2001; 44(3): 194-196
DOI: 10.1055/s-2001-17820
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Karl F. Haug Verlag, in: MVH Medizinverlage Heidelberg GmbH & Co. KG

Das craniomandibuläre System

(Vortrag ICMART Berlin 2001)FortbildungThe Craniomandibular SystemRainer Wander
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Publication Date:
15 October 2001 (online)

Anatomie und Physiologie

Der Bereich des Kiefergelenks, die Verbindungen des Unterkiefers (Mandibula) zum Os temporale des Schädels (Cranium), stellt ein komplexes Gebilde von Knochen, Muskeln und Bändern mit diffiziler neurologischer Steuerung dar.

Die Verbindung der Mandibula ist durch ein gekammertes Gelenk, das Kiefergelenk, an die Gelenkpfanne des Os temporale angelenkt. Die lockere Verbindung muss sein, um beim Öffnen des Mundes die Unterkieferbewegung nach vorn und damit eine größere Mundöffnung zu ermöglichen und um beim mahlenden Kauen eine Seitverschiebung zuzulassen. Außerdem müssen die Bewegungen des Kiefers in Fressstellung - also Kopf am Boden - und die dazu nötige Körperhaltung mit parasympathischer Ernährungsfunktion gekoppelt sein. Da die Körperhaltung vorwiegend von den Kopfgelenken gesteuert wird und die Kaubewegung vom Trigeminus mit parasympathischer Projektion organisiert wird, werden diese Funktionen im Halsmark im Nucleus trigeminocervicalis gemeinsam verschaltet.

Das Kiefergelenk wird von Muskeln geführt, die mit den tiefen Nackenmuskeln nerval eng gekoppelt sind. Es wird durch einen gleitenden Diskus zum Zweikammergelenk geteilt. Der Diskus wird vom M. pterygoideus lateralis geführt, dieser Muskel wird wie die tiefen Nackenmuskeln 1000 mal höher innerviert als alle anderen Muskeln des Körpers. Der M. temporalis macht Kaudruck, aber auch Vor- und Rückbewegung der Kondylen. Die Kaudruck- und Mahlbewegungen werden von M. masseter und M. pterygoideus medialis unterstützt.

Die Ernährung des Kiefergelenkes erfolgt von den hochsensibel versorgten rückwärtigen Anteilen der Gelenkkapsel, der bilaminären Zone. Gerät diese durch eine Retroposition des Kiefergelenkes unter Druck, kommt es zur nervalen Reizung und einer rein mechanischen Durchblutungsstörung des Gelenks, bis hin zur Zerstörung.

Gleichzeitig aber wird die Stellung der Kopfgelenke über die Propriozeption der oberen HWS mit Auslösung einer fast stereotypen Funktionskette ins Becken fortgeleitet. Dort können wir über das PATRICKsche Zeichen (Hyperabduktionsphänomen) und die variable Beinlängendifferenz auf die Störung im Kopfgelenk und/oder im Kiefergelenk schließen. Neben den manualtherapeutisch bekannten klinischen Zeichen kommt es noch zu einem weiteren, allgemein weniger bekannten Phänomen. Durch die Druckerhöhung im Kiefergelenk wird die schräge Sutura temporoparietalis bewegt, und das OS temporale wandert nach oben außen. Dabei kommt es zur Belastung der Sutur zwischen Os temporale und Os occipitale. Diese schließt aber das Foramen jugulare ein, durch welches die Hirnnerven IX, X, und XI ziehen (N. glossopharyngeus, N. vagus, N. accesorius). Deren Reizung bzw. Irritation macht Schluckstörungen, thorakale und abdominale Störungen sowie Verspannungen der oberflächlichen Nackenmuskel. Es kommt zu einem sich gegenseitig unterhaltenden und verstärkenden Teufelskreis, der nur noch mit craniosakralen Techniken gelöst werden kann.

Abb. 1

MR Dr. med. Rainer Wander

Präsident der DGfAN
Facharzt für Allgemeinmedizin Naturheilverfahren-Homöopathie-Chirotherapie-Spezielle Schmerztherapie

Friedensstr. 47

OT Coschütz

D-07985 Elsterberg

Email: Dr.Wander@t-online.de

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