Gesundheitswesen 2002; 64(8/9): 503-508
DOI: 10.1055/s-2002-33776
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Frühintervention bei Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit im Allgemeinkrankenhaus - Ergebnisse einer Explorationsstudie

Early Intervention in Alcohol Abuse and Addiction in General Acute Care HospitalsA. Behnken1 , N. R. Krischke2 , I. Brandenbusch3 , W. Pape4
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster
  • 2Klinische Psychologie, Universität Bremen
  • 3Gesundheitsamt Delmenhorst
  • 4St.-Josef-Stift Delmenhorst
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Publication Date:
04 September 2002 (online)

Zusammenfassung

Der Anteil von Patienten mit verdeckter Sucht- oder Abhängigkeitsproblematik wird für internistische Abteilungen in Akutkrankenhäusern auf 15-30 % geschätzt. Suchtspezifische Diagnostik und Frühintervention gilt bei Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit als Zweitdiagnose bei stationärer Behandlung im Akutkrankenhaus als eine viel versprechende sekundärpräventive Maß­nahme zur Verhinderung möglicher schwerer alkoholbedingter chronischer Leber- und Pankreaserkrankungen, gastrointestinaler Störungen und Hypertonie. Ergebnisse aus Modellversuchen weisen darauf hin, dass die Häufigkeit von Mehrfachaufnahmen bei Patienten mit verdeckter Abhängigkeits- und Suchtproblematik in Allgemeinkrankenhäusern reduziert und auch der Verlauf der Abhängigkeitsproblematik durch gezielte suchtspezifische Frühinterventionen günstig beeinflusst werden kann. In einer Pilotstudie an einem städtischen Krankenhaus konnten jedoch nur 27 (4 %) von 681 behandelten Patienten für eine suchtspezifische ­Beratung vorgeschlagen werden. Die Prävalenzrate der Patienten mit Verdacht auf Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit als auch die Vermittlungsquote zu suchtspezifischen Beratungsangeboten liegt weit unter der vergleichbarer Studien. Eine vertiefte Ursachenanalyse der abweichenden Ergebnisse zeigte, dass vor allem eine intensive Schulung des Klinikpersonals im Umgang mit den Kriterien der Suchtdiagnostik sowie flankierende logistische Maßnahmen notwendig sind, damit Frühinterventionsprogramme bei Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit in der Regelversorgung erfolgreich integriert werden können.

Abstract

Early intervention has been shown to prevent alcohol-related diseases of the liver, the pancreas, and the gastrointestinal tract, as well as to reduce high blood pressure and the incidence of hospitalizations. At a general hospital, 27 patients were offered addiction counselling, six of whom were successfully referred to an outpatient addiction counsellor. However, prevalence rates of alcohol abuse and addiction were significantly lower than those reported in other studies. Similarly, referrals to addiction counselling were less frequent than in other programmes in which hospital staff had been specifically trained to identify problems of alcohol abuse and addiction and to initiate timely referrals.

Intensive training of hospital staff as well as the provision of personal and logistical support at the hospital is crucial in the implementation of early intervention programmes for alcohol abuse and addiction in general hospitals.

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Dipl.-Psych. Andreas Behnken

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster

Albert-Schweitzer-Str. 11

48129 Münster

Email: abehnken@uni-muenster.de

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