Gesundheitswesen 2002; 64(12): 645-650
DOI: 10.1055/s-2002-36459
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Migrationsspezifische Begutachtung im Spannungsfeld von Medizin, Recht, Psychologie und Politik

Bericht über eine interdisziplinäre FachtagungMigration-Specific Expertising in the Spheres of Tension between Medicine, Law, Psychology and PoliticsReport on an Interdisciplinary Meeting of ExpertsJ. Gardemann1 , R. Salman2
  • 1Fachhochschule Münster, Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe
  • 2Ethno-Medizinisches Zentrum Hannover
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Publication History

Publication Date:
07 January 2003 (online)

Zusammenfassung

Die 4. Tagung zur transkulturellen Begutachtung am 2. und 3. November 2001 wurde erneut vom Ethno-Medizinischen Zentrum e. V. in Hannover ausgerichtet. Erstmals gelang es bei dieser Veranstaltung, Gutachter und Ermessensträger aus Medizin, Psychologie, Rechtsprechung und Verwaltung themenbezogen und interdisziplinär zusammenzuführen. Für den Öffentlichen Gesundheitsdienst war besonders der intensive Austausch in der Arbeitsgruppe zu Fragen der Abschiebung, der Reisefähigkeit und des Asyls von großer Bedeutung. Mit großer Mehrheit stellte die Arbeitsgruppe aus Richterinnen und Richtern, angestellten, beamteten und frei praktizierenden Ärzten und Psychologen, leitenden Mitarbeiterinnen aus Ausländerbehörden und Vertretern der Betroffenen abschließend fest, dass die Begutachtung zu den Fragestellungen im Zusammenhang mit Asylrecht und Abschiebung auch weiterhin in Händen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes bleiben solle, da nur dieser über die erforderliche Sachkompetenz, Systemkenntnis, Unabhängigkeit und Erfahrung als neutraler Sachwalter verfüge.

Abstract

The 4th conference of transcultural medical appraisal was organized once again by the ethno-medical center in Hannover on 2nd and 3rd of November, 2001. For the first time, medical estimators and decision-makers from the spheres of medicine, psychology, law and administration got together thematically and interdisciplinary. As to the public health authorities, the intensive discussion and working session on the topic of deportation, transportability and asylum was of high relevance. The specific working group included judges, clinical and public health physicians, psychologists, migration authority officials and representatives of migrant organisations. In full agreement finally it was pointed out that medical or psychological estimation concerning asylum and deportation should remain in the hands of the public health authorities because of their expert knowledge, experience and full independence in the sphere of medical and psychological appraisal.

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Prof. Dr. med. Joachim Gardemann M.san.

Facharzt für Kinderheilkunde und öffentliches Gesundheitswesen, Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe, Fachhochschule Münster

Leonardo-Campus 7

48149 Münster

Email: gardemann@fh-muenster.de

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