Gesundheitswesen 2004; 66 - 3
DOI: 10.1055/s-2004-833741

Der Effekt der ‘Regression zur Mitte’ in Beobachtungsstudien – Ein Lösungsvorschlag am Beispiel von Arbeitsunfähigkeitsdaten chronisch kranker Patienten im Rahmen eines Modellvorhabens zu alternativer Medizin

S Moebus 1, N Lehmann 1, KH Jöckel 1
  • 1Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen

Hintergrund: Der Effekt der ‘Regression zur Mitte’ ist ein bekanntes statistisches Prinzip und heikle Angelegenheit insbesondere bei der Interpretation von Effekten aus Beobachtungsstudien. Ziel: In diesem Beitrag soll ein Weg vorgeschlagen werden, mögliche Regressionseffekte in einer Beobachtungsstudie ohne explizite Kontrollgruppe bei der Auswertung zu berücksichtigen. Methoden: Ziel der von 1995–2002 durchgeführten Studie war den Einfluss komplementärmedizinischer Verfahren auf die Entwicklung des Arbeitsunfähigkeitsgeschehens (AU) bei rund 1100chronisch Kranken im ambulanten Versorgungsbereich zu evaluieren. Das Studiendesign – Langzeit-Beobachtungsstudie unter Einschluss retrospektiver Daten, prä/post-Vergleich, keine explizite Kontrollgruppe sowie hochselektionierte Patienten – lässt einen Regressionseffekt in unseren AU-Daten vermuten. Zunächst wurden standardisierte Ratenverhältnisse (SRR) gebildet. Zur Schätzung des Regressionseffektes dienten AU-Daten unserer Patienten vom 5. und 4. Jahr vor Studieneintritt. Die SRRs dieser Daten lagen bei 1, können somit als repräsentativ für die Referenzpopulation gelten und folglich zur Schätzung des Übergangs von SRRs in zwei aufeinanderfolgenden Jahren dienen. Die Übergangswahrscheinlichkeiten lassen sich zur Schätzung der Verteilung der AU-Daten im 1. und 2. Jahr unter Behandlung nutzen. Die geschätzte Verteilung wird folgend mit den erhobenen AU-Daten verglichen. Ergebnisse: Wir konnten zeigen, dass während der Intervention die AU in einem größerem Umfang abgenommen haben, als der Regressionseffekt es hätte erwarten lassen. Schlussfolgerungen: Obwohl ‘Regression zur Mitte’ als ein etabliertes, statistisches Konstrukt bekannt ist, wird es nur selten bei Studienergebnissen berücksichtigt. Die Nichtberücksichtigung kann allerdings zu schwerwiegenden Fehlinterpretationen verleiten. Aus diesem Grunde sollte das nicht einfach zu vermittelnde statistische Phänomen bereits in die Planung der Auswertung von Interventions- und Beobachtungsstudien einbezogen werden.