Gesundheitswesen 2004; 66 - 14
DOI: 10.1055/s-2004-833752

Berufsbezogene Informationen zur Steigerung des Reha-Erfolgs bei Muskel-Skelett-Erkrankungen

M Fehr 1, W Slesina 1
  • 1Sektion Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle

Ziel: Um die Erwerbsfähigkeit zu sichern und die Rückkehr zur Arbeit zu stärken, integriert die medizinische Rehabilitation zunehmend berufsorientierte Komponenten in ihre Maßnahmen. Eine eigene Interventionsstudie prüfte die Hypothese, dass ein verstärktes Informationsangebot für Reha-Ärzte über berufliche Anforderungen und berufliche Überforderungen der Rehabilitanden das Reha-Outcome und die Rate der Berufsrückkehr im Vergleich zur bisherigen Reha erhöht. Methoden: Einbezogen wurden konsekutiv LVA-versicherte Rehabilitanden aus zwei Reha-Kliniken (Alter <55 Jahre, max. ein Jahr erwerbslos) mit der Indikation degenerative Wirbelsäulenerkrankung. Es lag ein quasi-experimentelles Design mit einer Vergleichgruppe ohne Intervention (n=128) und einer Interventionsgruppe (n=135) zugrunde. Im Interventionsteil der Studie erhielten die Reha-Ärzte Informationen über die berufliche Leistungsfähigkeit, die beruflichen Anforderungen und Überforderungen der Rehabilitanden mit dem Ziel einer spezifisch anforderungs- und überforderungsorientierten Reha-Gestaltung. In der Vergleichsgruppe erfolgte die übliche Behandlung – Formen der Datenerhebung: schriftliche Selbstangaben der Rehabilitanden zu somatischen, psychischen, sozialen Merkmalen (u.a. IRES-MIN, FKV, KKG, BSI, FEBA, FBS); objektivierende Assessments der Anforderungen und Leistungsfähigkeit der Rehabilitanden nach EAM durch Projektärzte und Arbeitswissenschaftler. – Erhebungszeitpunkte: T1=Reha-Beginn, T2=Reha-Ende, T3=6 Monate nach Reha. Ergebnisse: In beiden Gruppen ergaben sich signifikante Verbesserungen von T1 nach T2 bei gesundheitsbezogenen, psychischen und psychosozialen Merkmalen (Schmerzen, Behinderung im Alltag, Ängstlichkeit, Reha-Gesamtstatus), ferner bei der körperlichen Leistungsfähigkeit (Heben, Tragen, Hocken, Dauerbelastung u.a.). Die meisten Werte verschlechterten sich von T2 nach T3 wieder signifikant. Die Intervention erbrachte bei den vier häufigsten Leistungsüberforderungen „Rumpfbewegungen“, „Heben“, „Tragen“ und „körperliche Dauerbelastung“ kein besseres Ergebnis als in der Vergleichsgruppe. Zudem konnten anforderungsspezifische Überforderungen der Leistungsfähigkeit in beiden Gruppen nur wenig abgebaut werden (bei 17% bzw. 15% der Überforderten). Diskussion/Schlussfolgerungen: Ursachen des ausgebliebenen Interventionserfolgs könnten sein: medizinisch nicht kompensierbare Leistungsüberforderungen, unzureichende Umsetzung der überlastungsbezogenen Informationen in therapeutische Reha-Maßnahmen, erfolgte Fokussierung auf medizinische Maßnahmen und zu geringe Berücksichtigung psychosozialer Aspekte der Rehabilitanden.