Gesundheitswesen 2004; 66 - 29
DOI: 10.1055/s-2004-833767

Psychopharmakagebrauch in Alten- und Altenpflegeheimen: individuelle und institutionelle Determinanten. Ergebnisse einer Mehrebenenanalyse

SG Riedel-Heller 1, A Sonntag 1, H Matschinger 1, MC Angermeyer 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie der Universität Leipzig

Ziel: Ein großer Teil der Alten- und Altenpflegeheimbewohner wird intensiv psychopharmakologisch behandelt. Der Psychopharmakagebrauch in verschiedenen Einrichtungen unterscheidet sich jedoch erheblich. Dies kann nur teilweise durch die individuellen Charakteristika der Bewohner erklärt werden. Deshalb wird vermutet, dass institutionelle Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Ziel dieser Studie ist die Bestimmung des Verhältnisses von individuellen und institutionellen Einflüssen auf den Psychopharmakagebrauch von Alten- und Altenpflegeheimbewohnern. Methode: Die Studie ist eine Vollerhebung in allen 27 Alten- und Altenpflegeheimen in Leipzig mit insgesamt 96 Wohneinheiten oder Stationen. In diesen Heimen sind insgesamt 1203 Pflegekräfte beschäftigt. Jeder zweite Heimbewohner (n=1903) wurde für die Untersuchung zufällig ausgewählt. Individuelle Charakteristika der Bewohner, wie Verhaltensauffälligkeiten, Aktivitäten des täglichen Lebens, kognitive Leistungsfähigkeit und soziodemographische Charakteristika wurden untersucht. Als institutionelle Faktoren wurden Heimgröße, Personal-Bewohner-Verhältnis, Qualifikation des Personals, Einstellung und Belastung des Pflegepersonals erfasst. Individuelle und institutionelle Determinanten des Verbrauchs an sedierenden Psychopharmaka (regelmäßige Medikation und Bedarfsmedikation) wurden im Rahmen einer Mehrebenenanalyse untersucht. Ergebnisse: Mehr als die Hälfte der Alten- und Altenpflegeheimbewohner wurden psychopharmakologisch behandelt, 53,2% regelmäßig, 6% bei Bedarf. Individuelle und institutionelle Charakteristika wurden als Determinanten des Psychopharmakagebrauchs identifiziert. Während die regelmäßige Medikation hauptsächlich durch individuelle Charakteristika der Bewohner determiniert wird, ist die Bedarfsmedizin weitgehend vom Kontext, d.h. von institutionellen Charakteristika abhängig. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit spezifischer Interventionen um die psychopharmakologische Behandlung in Alten- und Altenpflegeheimen zu optimieren. Dabei müssen institutionelle Charakteristika in Betracht gezogen werden.