Gesundheitswesen 2004; 66 - 54
DOI: 10.1055/s-2004-833792

Beziehungen zwischen „Autoren“ und „Adressaten“ von Leitlinien – ein vernachlässigtes Thema bei der Implementation von Leitlinien?

L von Ferber 1, C von Ferber 2
  • 1Forschungsgruppe Primärmedizinische Versorgung an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Universität Köln
  • 2Universitätsprofessor (em.)

Viele Empfehlungen von Leitlinien werden nicht in dem erwarteten Umfang angewendet. Die Gründe dafür sind vielfältig (Cabana et al. 1999). Es fehlen Untersuchungen zu den Beziehungen zwischen den Personen, die Leitlinien formulieren und verbreiten („Autoren“ und „Multiplikatoren“), und denen, die sie anwenden sollen, den „Adressaten“.

Der Einfluss der Beziehungen zwischen „Autoren“ und „Multiplikatoren“ einerseits und den „Adressaten“ anderseits auf die Anwendung der Empfehlungen Hausärztlicher Leitlinien zur Arzneitherapie bildete Gegenstand der Untersuchung. 8 Leitlinien zur Optimierung der Arzneitherapie wurden 142 Hausärzten konsekutiv über 8 Sitzungen in Qualitätszirkeln zur Anwendung empfohlen. Mit der Analyse ihrer Verordnungsdaten wurden sie zur Befolgung der Empfehlungen motiviert. Eine Befragung zur Anwendung einer ausgewählten Anzahl von Empfehlungen jeweils 6–8 Wochen nach der Vorstellung erbrachte das folgende Ergebnis: je 1/4 entfiel auf die Gruppen „sehr hohe“, „hohe“, „problematische“, „zu niedrige“ Anwendung. Das Ergebnis der Befragung wurden den 17 „Autoren“ der Leitlinien, die zugleich als Moderatoren der Qualitätszirkel „Multiplikatoren“ im Prozess der Implementation waren, zu einem Review vorgelegt. Sie sollten beurteilen, ob die Empfehlungen „für die Therapie unverzichtbar“, „wichtig“ oder „verzichtbar“ seien.

Werden die Ergebnisse beider Befragungen zueinander in Beziehung gesetzt, dann zeigt sich: Bei den Empfehlungen mit „sehr hoher“ und „hoher“ Anwendung stimmen Hausärzte und Reviewer überein. Bei den Empfehlungen mit „problematischer Anwendung“ besteht ein Dissens zwischen Reviewern und Hausärzten über die hausärztliche Relevanz der Empfehlungen. Drei Viertel der Empfehlungen mit „zu niedriger Anwendung“ werden von den Reviewern als „verzichtbar“ beurteilt.

Übereinstimmung und Dissens zwischen Hausärzten und Reviewern werden wesentlich sowohl durch die Formulierung der Empfehlungen als auch durch den Konsens unter den Autoren der Leitlinie im Prozess der Implementation bestimmt. Beides gilt es bei der Implementation von Leitlinien zu beachten.