Gesundheitswesen 2004; 66 - 65
DOI: 10.1055/s-2004-833803

Direkte Finanzierung der Gesundheitsausgaben durch die Versicherten der GKV: Empirische Befunde aus den Einkommens- und Verbrauchsstichproben 1988 bis 1998 des Statistischen Bundesamtes

J John 1
  • 1GSF – Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Neuherberg

Hintergrund: Seit Anfang 2004 gelten in der GKV neue Zuzahlungsregelungen und Leistungsausgrenzungen, die den Anteil der direkten Finanzierung der Versorgungskosten durch die Patienten spürbar erhöhen werden. Ziel: Auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVSn) des Statistischen Bundesamtes werden Entwicklung und Stand von Umfang und Struktur der durch die in der GKV versicherten Haushalte direkt finanzierten Gesundheitsausgaben analysiert, um Anhaltspunkte für das Ausmaß der bisherigen finanziellen Belastungen der Versicherten zu gewinnen. Methoden: Die EVSn sind umfassende Erhebungen über Einkommenserzielung und -verwendung der privaten Haushalte. Die derzeit auswertbaren Surveys umfassen 31.963 (1988), 38994 (1993) und 38166 (1998) Haushalte mit ausschließlich gesetzlich versicherten Haushaltsmitgliedern. Berichtsperiode in 1988 und 1993 ist das Kalenderjahr (Arzneimittel: 1 Monat), in 1998 ein Vierteljahr; Berichtseinheit für die Ausgaben ist der Haushalt. Ergebnisse: Zu laufenden Preisen gaben die GKV-Versicherten pro Kopf und Jahr im Durchschnitt 176 DM (1988), 285 DM (1993) und 446 DM (1998) für Gesundheitsgüter aus. Von 1988–1998 haben sich die Ausgaben der GKV pro Versicherten verdoppelt, deren direkte Ausgaben verzweieinhalbfacht. 1998 gaben die GKV-Haushalte durchschnittlich 2,3% ihres Nettoeinkommens für Gesundheitsgüter aus; im niedrigsten Einkommensdezil beträgt dieser Anteilswert 2,4%; vom 2.-10. Dezil nimmt er stetig von 2,9% auf 1,5% ab. Der Anteil der GKV-Haushalte, die über 2% ihres Bruttoeinkommens (die gesetzliche Kappungsgrenze für Zuzahlungen) für Gesundheitsgüter ausgaben, betrug 1988 11,5%, 1993 16,2% und – wegen der kürzeren Beobachtungsperiode nur bedingt vergleichbar –1998 20,3%. Diskussion: Das zunehmende Gewicht direkt finanzierter Gesundheitsausgaben verstärkt die regressiven Einkommensverteilungseffekte der GKV-Finanzierung und hat für einen großen Teil der GKV-Haushalte ein Ausmaß erreicht, das die Kappungsgrenze für Zuzahlungen schon überschreitet. Schlussfolgerungen: Die neuen Zuzahlungsregeln und Leistungsausgrenzungen erfordern ein sorgfältiges sozial- und gesundheitspolitisches Monitoring, das nur durch gezielte Studien, nicht durch die EVS zu leisten ist.