Gesundheitswesen 2004; 66 - 153
DOI: 10.1055/s-2004-833891

Rückenschmerzen in Lübeck: zwei postalische Surveys im Abstand von 10 Jahren

A Hüppe 1, D Lühmann 1, K Müller 1, H Raspe 1
  • 1Institut für Sozialmedizin, Universität zu Lübeck

Hintergrund und Ziel: Rückenschmerzen (RS) sind in Europa eine der epidemiologisch häufigsten Beschwerden. Sie verursachen erhebliche Kosten und sind bei uns die Hauptursache von Arbeitsunfähigkeit, medizinischer Reha und vorzeitiger Berentung. Offen ist die Frage, ob es parallel zu langfristigen Trends bei den sozialmedizinischen Folgen zu Häufigkeitsveränderungen auf Bevölkerungsebene gekommen ist. Wenige ausländische Studien lassen eine Konstanz der Beschwerdeniveaus über einen Zeitraum von 10 Jahren annehmen. Wir legen die Ergebnisse der ersten deutschen Studie vor, in der eine regionale Population im Laufe einer Dekade zweimal mit gleicher Methodik befragt worden ist. Methoden: Die erste Lübecker RS-Studie hatte sich 1990–1993 an 3969 deutsche Einwohner (25–74 Jahre) gewandt (Kohlmann et al 1995). Ein weiterer postalischer Survey mit identischen Fragen zu Häufigkeit und Schweregrad von RS adressierte 2003 in der genannten Altersgruppe 2441 Einwohner Lübecks. Ergebnisse: Die Responserate erreichte im 1. Survey nach max. zwei Erinnerungen 80,6% (52% Frauen). 2003 wurde eine Responserate von 60,1% erreicht (55% Frauen). Das mittlere Alter stieg von 48,2 auf 49,4 Jahre, Männer im Alter von 25–54 und Bewohner von sozial schlechter gestellten Wohnquartieren sind unterrepräsentiert. Die rohen Prävalenzraten für RS heute, im letzten Jahr und jemals lagen 1993 bei 39,6%, 74,7% und 82,0%, 2003 bei 36,7%, 71,0%, 83,6%. Die Verteilung auf die von Kohlmann & Raspe (1994) definierten Schweregrade ist zu beiden Zeitpunkten nahezu identisch: Grad 0 61 vs. 63%, Grad I 17% vs. 19, Grad II 12 vs. 10%, Grad III 10 vs. 9%. Betrachtet man die Punktprävalenzen nach Alter und Geschlecht im Zeitvergleich sind nur die Unterschiede bei den 35–44-jährigen und 55–64-jährigen Männern signifikant (Reduktion). Die nach Alter und Geschlecht auf die Stichprobe 1993 standardisierte Rate für RS „heute“ liegt für 2003 bei 36,8% (vs 39,6% für 1993). Die Differenz ist nicht signifikant. Diskussion und Schlussfolgerung: Es ergeben sich Hinweise auf z.T. signifikante gruppenspezifische Veränderungen in der Punktprävalenz von RS innerhalb einer Dekade in Lübeck. Dabei findet sich ein für beide Geschlechter ähnliches Veränderungsmuster. Angesichts der stark rückläufigen Responserate sind die Unterschiede nicht einfach zu beurteilen. Die standardisierten Punktprävalenzraten liegen dicht beieinander. Relevante Unterschiede im Zeitverlauf sind damit wenig wahrscheinlich.