Gesundheitswesen 2004; 66 - 163
DOI: 10.1055/s-2004-833901

Alt, krank und behindert? Soziodemographische Struktur von Menschen mit Behinderung

E Driller 1, E von Pritzbuer 1, H Pfaff 1
  • 1Zentrum für Versorgungsforschung Köln (ZVFK), Medizinische Fakultät der Universität zu Köln

Hintergrund: Die demographische Entwicklung wird in den kommenden Jahren das Verhältnis zwischen jungen und alten Menschen in Deutschland stark verändern. Prognostiziert wird eine deutliche Zunahme alter und besonders hochbetagter Menschen bei einer gleichzeitigen Abnahme jüngerer Menschen. Über die Entwicklung der Lebenserwartung sowie die soziodemographische Struktur betagter bzw. hochbetagter Menschen mit Behinderung ist dagegen wenig bekannt. Ziel/Methode: Innerhalb des laufenden Forschungsprojekts werden sekundäranalytisch verfügbare Datenstrukturen zu Menschen mit Behinderung in Deutschland seit 1979 untersucht und ausgewertet, um altersgerechte Versorgungsbedarfe von Menschen mit Behinderungen zur Planung von Angeboten in der Behindertenhilfe zu entwickeln. Ergebnisse: Von den schätzungsweise 6,7 Millionen Menschen mit Behinderungen sind etwa 70% körperlich beeinträchtigt und 40% der Betroffenen mehrfach-schwerbehindert. Mehr als die Hälfte aller amtlich schwerbehindert registrierten Menschen gehören der Altersgruppe über 65 Jahre an. D.h. in dieser Altersgruppe ist jeder vierte Bundesbürger von einer Behinderung betroffen. Dabei wird in 85,3% der Fälle Behinderung durch eine Krankheit verursacht, vor allem durch Beeinträchtigungen der inneren Organe bzw. Organsysteme. In der Altersgruppe der über 65-Jährigen ist jeder 4. von Behinderung Betroffene zu 100% schwerbehindert. D.h. allein bei den über 65-Jährigen sind bereits heute rd. 850.000 Menschen dauerhaft auf informelle sowie formelle Unterstützungs- und Versorgungsleistungen angewiesen. Diskussion/Schlussfolgerung: Mehr als die Hälfte aller Behinderten sind älter als 65 Jahre, dauerhaft krank und damit amtlich anerkannt schwerbehindert. Da ein heute 65-jähriger Mann durchschnittlich weiteren 14,5 Lebensjahren und eine 65-jährige Frau durchschnittlich noch 18,04 Lebensjahren entgegensehen kann, müssen derzeitige Versorgungskonzepte der Behinderten- bzw. Altenhilfe auf die besonderen Bedarfe dieser zukünftig weiter wachsenden Personengruppe stärker als bisher abgestimmt werden, um den Bedürfnissen der Betroffenen nach einem vitalen Leben aktiv Rechnung zu tragen.