Gesundheitswesen 2004; 66 - 168
DOI: 10.1055/s-2004-833906

Evidenz für Mindestmengen in der Medizin

M Geraedts 1
  • 1Zusatzstudiengang Public Health an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Hintergrund: Die seit Januar 2004 rechtsgültige Mindestmengenvereinbarung sieht für fünf Prozeduren jährliche Mindestmengen pro Arzt bzw. Einrichtung vor. Nur wer diese Grenzen überschreitet, darf die Leistungen erbringen. Weitere Mindestmengen sind in der Diskussion. Unklar ist jedoch, inwieweit bei diesen Prozeduren die vom Gesetzgeber geforderte Bedingung erfüllt wird, dass das Ergebnis der Versorgung in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig sein soll. Ziel: Deshalb war es Ziel der Arbeit, die den Mindestmengen zugrunde liegende Evidenz zu analysieren. Methoden: Mithilfe einer systematischen Literaturanalyse in Medline, Cochrane und Embase wurden diejenigen Studien und insbesondere Reviewarbeiten identifiziert, die zur Volume-Outcome-Beziehung sowie daraus ableitbaren Mindestmengen in den letzten 20 Jahren durchgeführt wurden. Zur Interpretation wurden Kriterien zur Evidenzabsicherung von Volume-Outcome-Studien des National Cancer Policy Board angewandt: a) Plausibilität und Logik der Beziehung; b) Absicherung durch mehrere Studien; c) konsistenter Trend in verfügbaren Studien; d) substanzielle, klinisch bedeutsame und statistisch abgesicherte Effekte. Ergebnisse, Diskussion: Obwohl viele Studien zeigen, dass oftmals sowohl die arztbezogene als auch die einrichtungsbezogene Leistungsfrequenz positiv mit dem Ergebnis assoziiert ist, kann auf der Basis der genannten Kriterien (a-d) bisher nur bei wenigen Prozeduren von einer evidenzbasierten Volume-Outcome-Beziehung gesprochen werden (z.B. Pankreas- oder Ösophaguskarzinom-Operationen). Explizite Mindestgrenzen, deren Überschreitung regelmäßig mit besseren Ergebnissen einhergeht, lassen sich jedoch gar nicht ableiten. Schlussfolgerungen: Die beschlossenen Mindestmengen müssen als politische Kompromisslösungen und nicht als evidenzbasierte Vereinbarungen interpretiert werden. Vor der Einführung weiterer Mindestmengen muss eine exakte Literaturanalyse gefordert werden.