Gesundheitswesen 2004; 66 - 173
DOI: 10.1055/s-2004-833911

Die Einflussnahme von Patientenberatungs- und Selbsthilfeorganisationen zur Erhöhung der Beteiligungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen

A Riesberg 1, C Mühr 1, M Wörz 1
  • 1Technische Universität Berlin

Hintergrund: Der CIVICUS Civil Society Index (CSI) ist ein – derzeit in 64 Ländern verwendeter –Leitfaden zur Evaluation von Struktur, Werten, Umgebung und Wirksamkeit der Zivilgesellschaft, der sich besonders Aspekten der Beteiligungsgerechtigkeit und participatory governance widmet. Ziel: anhand der CSI-Leitfragen zu untersuchen, welche Anliegen von Patienten- und Selbsthilfeorganisationen (PSO) auf Bundesebene formuliert wurden und wie sie diese seit 1989 realisieren konnten. Methoden: Hand- bzw. Internetrecherche der Sekundärliteratur und veröffentlichter Dokumenten der vier, mittlerweile offiziell legitimierten PSO-Dachverbände sowie etablierter Akteure im Gesundheitswesen. Ergebnisse: Den PSO-Dachverbänden ist es zunehmend gelungen, ihre Sichtweise öffentlich zu vertreten, Patienteninteressen auf die politische Agenda zu setzen (z.B. Große Anfrage im Bundestag 1998), kommerziell ausgerichtete Rivalen zu marginalisieren, an Gremien im Gesundheitswesen beteiligt zu werden (Patientencharten, Gesundheitsziele) und zuletzt Mitberatungs- und Antragsrechte im Gemeinsamen Bundesausschuss zu erlangen. Während sie Koalitionspartner gewinnen konnten, um die Finanzierung eigener Leistungen in der Selbsthilfe und Patientenberatung durch Krankenkassen gesetzlich zu verankern, wurden zeitgleich (stärker strukturfördernde) Landesmittel für Selbsthilfe und Verbraucher reduziert. Diskussion: Der CSI eignet sich als Leitfaden für den zivilgesellschaftlichen Teilbereichs der PSO, wobei teilweise eine Anpassung an nationale Charakteristiken (Selbstverwaltung), eine Ergänzung patientenspezifischer Fragestellungen erforderlich sind, die in einem nächsten Schritt durch eingehendere und systematischere Akteurbefragungen ergänzt werden sollen. Schlussfolgerungen: Die Recherche in überwiegend grauer Literatur weist auf erheblich politische und rechtliche Erfolge der PSO hin. Diese bringen Anforderungen an die Kooperation und Kompetenz der PSO mit sich, deren Erfüllung derzeit durch die gegenwärtigen Bedingungen des Konkurrierens um unsichere finanzielle Ressourcen wenig gefördert werden.