Gesundheitswesen 2004; 66 - 176
DOI: 10.1055/s-2004-833914

Selbsthilfe-Gruppen und ihre Organisationen – Wie weit sind sie wirklich in politische Entscheidungsprozesse involviert? Ergebnisse der SelBSD-Studie

V Kurtz 1, E Fricke 1, ML Dierks 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung

Hintergrund: Die politischen Bemühungen, den Einfluss von Laien im Gesundheitswesen zu stärken, sind u.a. in der Integration der Selbsthilfe in nationale und regionale Entscheidungsgremien zu sehen. Diese Formen der Mitwirkung an Entscheidungsprozessen könnten die Prozesse transparenter machen und im Sinne der Betroffenen gestalten. Die Abbildung von bestehenden Kooperationen, Entscheidungsbeteiligungen und Wirkungen der Selbsthilfe auf der Mikro-, Meso- und Makroebene des Gesundheitswesens vor Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) war Gegenstand einer standardisierten Befragung. Methoden: Im Sommer 2003 wurden Telefoninterviews mit zufällig ausgewählten Selbsthilfeorganisationen (N=97), regionalen Selbsthilfegruppen aus allen deutschen Bundesländern (N=206) und Selbsthilfekontakt- und Unterstützungsstellen sowie Patientenberatungsstellen (N=83) durchgeführt. Ergebnisse: Die befragten Personen und Institutionen berichteten durchgängig von zahlreichen Kooperationen. Knapp 70% der Befragten sind auf Informationsveranstaltungen oder –kampagnen auf regionaler oder nationaler Ebene vertreten, 65,6% arbeiten mit Ärzten zusammen. Nur 22% der Befragten werden zu politischen Anhörungen eingeladen, ein geringer Anteil arbeitet in Ethikkommissionen (4%) und Qualitätszirkeln (5,1%) mit. Insgesamt werden die Partizipationsmöglichkeiten schlecht beurteilt (50,8%). Dennoch fühlen sich die Befragten in den unterschiedlichen Kooperationen größtenteils akzeptiert und können nach eigenen Angaben vielfältige Wirkungen erzielen. Neben finanzieller und personeller Unterstützung wird von den Befragten vor allem mehr Mitsprache bei politischen Entscheidungen gewünscht. Schlussfolgerungen: Trotz vieler Kooperationen von Selbsthilfegruppen, -organisationen, Kontakt- und Unterstützungs- sowie Patientenberatungsstellen mit anderen Partnern ist eine „echte“ Beteiligung an Entscheidungsprozessen im Gesundheitssystem noch nicht erreicht, wird aber von den Selbsthilfe-Akteuren gewünscht.