Gesundheitswesen 2004; 66 - 185
DOI: 10.1055/s-2004-833923

Soziale Ungleichheit in der Frühförderung entwicklungsverzögerter Vorschulkinder

J Erb 1, M Werner 1
  • 1Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart

Hintergrund/Ziel: Entwicklungsverzögerte Vorschulkinder sollten Maßnahmen der Frühförderung oder Therapie erhalten, um einer Behinderung vorzubeugen. Wir wollten wissen, inwieweit soziale Faktoren den Zeitpunkt der Diagnose und die Inanspruchnahme von Frühfördermaßnahmen beeinflussen. Methoden: In einer Querschnittsuntersuchung wurde aus Daten der Einschulungsuntersuchung 2001 die Prävalenz von Entwicklungsverzögerungen im Vorschulalter geschätzt und mit Elternangaben zu Frühfördermaßnahmen verglichen. Die Nutzung wurde bi- und multivariat nach Nationalität und sozialen Faktoren ausgewertet. Ergebnisse: Bei 22,3 % der 3852 Kinder lag im sprachlichen oder motorischen Bereich ein auffälliger Befund vor, es zeigten sich signifikante Unterschiede hinsichtlich der Nationalität der Kinder und der Güte des Wohngebiets. Weniger als die Hälfte der Entwicklungsverzögerungen wurden vor der Einschulungsuntersuchung festgestellt, wobei Kinder nichtdeutscher Nationalität signifikant geringere Chancen dafür hatten. 34,0 % der Kinder mit Entwicklungsverzögerungen erhielten Therapien oder Frühförderung, wobei die Chancenverhältnisse für eine Inanspruchnahme bei Kindern anderer Nationalitäten – mit Ausnahme der griechischen und italienischen– nur 0,1 bis 0,3 (KI 0,0–0,8) der deutscher Kinder betrugen. Diskussion und Schlussfolgerungen: Bei einer etwas höheren Prävalenz von Entwicklungsverzögerungen bei Kindern aus Migrantenfamilien und aus weniger guten Wohngebieten zeigen sich starke Disparitäten hinsichtlich des Zeitpunkts der Diagnose und der Nutzung von Frühförderangeboten. Verbesserte Information und nachgehende Arbeit könnten dazu beitragen, den Zugang zur Frühförderung für diese Kinder zu verbessern, um Lernschwierigkeiten in der Schule vorzubeugen. Die Kindertagesstätte hat sich dafür als besonders geeigneter Zugangsweg erwiesen.