Gesundheitswesen 2004; 66 - 202
DOI: 10.1055/s-2004-833940

Gesundheitspolitik zur „Hebung der gesamten Volkskultur“: Das gesundheitspolitische Programm der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen/Zentralstelle für Volkswohlfahrt (1892–1914)

A Fulda 1
  • 1Universität Hannover

Als Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen 1892 in Berlin gegründet, wurde diese 1906 zur halbamtlichen Zentralstelle für Volkswohlfahrt. Sie nahm koordinierende und publizistische Aufgaben wahr, ihre Mitglieder waren sozialpolitisch tätige Vereine, Bundesstaaten, Magistrate der Städte sowie Unternehmer. Ihr Aufgabengebiet umfasste neben wirtschaftlicher und sittlicher Fürsorge, Volksbildung und Unterhaltung auch die Gesundheitspflege. In ihrem Wirken blieb sie hinter dem Verein für Sozialpolitik oder der Gesellschaft für soziale Reform zurück. Die Verankerung der sozialpolitischen Maßnahmen in einer als „Bewegung“ verstandenen umfassenden Reformsituation führte in den Reihen der Mitglieder teilweise zu Ablehnung. Ziel: „Nicht Wohltätigkeit, sondern Wohlfahrt“ war das Programm der sozialpolitischen Maßnahmen der Zentralstelle für Volkswohlfahrt. Für die Gesundheitspolitik folgte daraus, dass nicht allein die Beseitigung des vorhandenen Elends und Fürsorge für die Kranken im Zentrum standen, sondern dass zur „Verstopfung der Quellen, aus denen das Elend entsteht“ (1907) beigetragen werden sollte. In präventiver Absicht, zur Hebung der Volkskultur im allgemeinen, sollten Maßnahmen auch für den seelisch und körperlich gesunden Teil des Volkes ergriffen werden.

Auswertung des Schrifttums der Zentralstelle (Schriftenreihe: Bände zu Ernährungssituation, Hygiene des Arbeiters, Gewerbehygiene, Säuglingspflege; Zeitschrift „Concordia“), Tätigkeitsberichten sowie archivalischem Material (Kommissionsprotokolle etc.)

Die gesundheitspolitischen Zielsetzungen der Zentralstelle können mit denen anderer Institutionen, so auch der zur gleichen Zeit in Berlin ansässigen „Gesellschaft für sociale Medizin, Hygiene und Medicinalstatistik“ verglichen werden. Zu klären wäre, ob auch hier die Hebung der Volkskultur als Hebung des Volksganzen vor einem geschichtsphilosophischen Hintergrund formuliert wird, für das Immanuel Kant und Lujo Brentano Pate standen.