Gesundheitswesen 2004; 66 - 214
DOI: 10.1055/s-2004-833952

Das Ende des „informed consent“ – Der „informed contract“ in genetischer Forschung und Public Health Praxis

P Schröder 1
  • 1Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst NRW, Bielefeld

Hintergrund: In medizinischer Forschung und medizinischer Praxis ist der „informed consent“ seit Jahrzehnten der Goldstandard, um die Autonomie des Probanden oder Patienten zu verbürgen. Auch in Public Health wird dieses Konzept als „best practice“ Modell gehandelt und selten hinterfragt. Ziel: Diskussion von Ansätzen, die sich mit dem „informed consent“ beschäftigen. Methoden: Diskussion aktueller Literatur und ethische Abwägung der Argumente. Ergebnisse: Der „informed consent“ als Errungenschaft vor allem US-amerikanischer Bioethik, die von Bürgerrechtsbewegungen angestoßen wurde, wird derzeit vereinzelt von prominenten Ethikern als für moderne komplexe Forschungsvorhaben (z.B. Genbanken) nicht mehr ausreichend dargestellt. Diskussion: Vertreter verschiedener ethischer Ansätze – von Kantianern zu Libertären – halten den „informed consent“ für unangemessen, weil er Probanden, Patienten und Bürgern nur die Wahl lässt, entweder in die vom Forscher, Arzt oder Praktiker vorgeschlagene Intervention einzuwilligen, oder eben nicht. Dies ist ein „Alles oder Nichts“ Modell, das komplexen Verfahren und Methoden in Praxis und Forschung nicht mehr gerecht wird. Es bietet wenig Freiraum, in dem Wünschen und Werten des Patienten/Bürgers/Probanden entgegen gekommen werden kann. Der Proband, beispielsweise, der einer Genbanken Gewebe geben möchte, wird als Empfänger wahrgenommen und behandelt und weniger als gleichwertiger Partner, der etwas zu bieten hat und dessen Einsatz vielleicht sogar honoriert werden könnte (Stichwort: „benefit sharing“). Demgegenüber steht die Position, dass gerade in der Forschung keine Anreize zur Teilnahme geboten werden sollten, außer anderen Menschen zu helfen. Schlussfolgerungen: Der „informed contract“ bietet eine konzeptionelle Möglichkeit, die Selbstbestimmung von Probanden in genetischer Forschung zu berücksichtigen und Probanden als ebenbürtigen Partner zu begreifen. Details können hier geregelt werden und bieten ferner sowohl dem Forscher als auch dem Probanden rechtliche Sicherheit. Dies ist vor allem im Zusammenhang mit Genbanken sinnvoll, für die man nun Gewebe spenden kann, ohne jetzt schon zu wissen, welche Forschung wann vielleicht damit befördert werden kann. Ein „informed contract“ könnte hier die Möglichkeit bieten, individuell festzulegen, ob bzw. ob nicht sein Gewebe für „multipurpose screening“ in der Zukunft genutzt werden kann, und ob der Proband ggf. bei Erkenntnissen, die seine Person betreffen, informiert werden möchte oder nicht.