Gesundheitswesen 2004; 66 - 225
DOI: 10.1055/s-2004-833963

Zusammenarbeit von Ärzten und Selbsthilfegruppen

C Kretzschmar 1, W Slesina 1
  • 1Martin-Luther Universität Halle/Wittenberg; Medizinische Fakultät, Sektion Medizinische Soziologie, Halle (Saale)

Hintergrund: In einer verstärkten Kooperation von Ärzten und Selbsthilfegruppen (SHG) werden Möglichkeiten der Qualitätsverbesserung bei der somatischen wie psychosozialen Versorgung und Betreuung chronisch Kranker gesehen. Solche Überlegungen lagen einem 1988–92 durchgeführten Projekt zugrunde, das die Kooperation von Ärzten und SHG förderte. Ziel: Ziel einer Fortsetzungsstudie ist es, Formen des Zusammenwirkens von professioneller medizinischer Versorgung und Selbsthilfe nach 12 Jahren aktuell zu bilanzieren, ungenutzte Potentiale und Bedarfe zu beschreiben und Modelle „guter“ Praxis des Zusammenwirkens zu identifizieren. Methoden: Die Studienregion ist Ostwestfalen-Lippe. Von August 2003 bis Februar 2004 wurde eine nach Arztgebieten geschichtete Zufallsstichprobe (46,6% Beteiligung; Nettostichprobe n=139 Ärzte) mit standardisiertem Fragebogen telefonisch befragt. Zudem werden ca. 250 SHGen einbezogen. Ergebnisse: Die Ärztebefragung ergab: 35% der Ärzte hatten in den letzten 12 Monaten Kontakt zu einer SHG, davon 39% einen festen Kontakt. Der Kontakt ging meist von den Gruppen (49%), z.T. von Patienten (20%) und Ärzten (20%) aus. 75% der Ärzte beurteilten die Kontakte als positiv. Gut 75% der Ärzte haben im letzten Jahr Patienten die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppen empfohlen. Ärzte sehen Arbeit und Ertrag der Gruppen überwiegend positiv: Beitrag zur seelischen Stabilisierung (94,1%), verbesserte krankheitsbezogene Information (95,7%) und Compliance der Mitglieder (76,2%). Der Kooperationsnutzen wird verbreitet anerkannt: die Zusammenarbeit schärfe den Blick des Arztes für die Probleme chronisch Kranker (91,4%), verbessere die ärztliche Patientenberatung (82,8%), unterstütze/entlaste die ärztliche Arbeit (78,8%) u.a. Als häufigste Kooperationserschwernis wurde Zeitmangel der Ärzte genannt (76,9%). Diskussion/Schlussfolgerungen: Viele Ärzte sind für eine Kooperation mit SHG offen, bevorzugen aber eine Komm-Struktur, d.h. Initiative seitens der SHG. Dies entspricht den Ergebnissen der früheren Studie. Noch mehr Ärzte als damals erkennen den Nutzen einer Zusammenarbeit an: differenziertere psychosoziale Problemwahrnehmung (91,4% vs. 78,2%), verbesserte Patientenberatung (82,8% vs. 75,7%). Die Ergebnisse der SHG-Befragung stehen noch aus, sind jedoch bei Tagung berichtbar.