Gesundheitswesen 2004; 66 - 226
DOI: 10.1055/s-2004-833964

Wichtigkeit von Aspekten der Krankenhausbehandlung aus Patientensicht – Erfahrungen aus einer systematischen Befragung

G Blumenstock 1, R Streuf 1, HK Selbmann 1
  • 1Institut für Medizinische Informationsverarbeitung der Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Hintergrund: Seit Frühjahr 2001 wurde am Universitätsklinikum Tübingen eine Befragung der stationär behandelten Patienten zunächst pilotisiert und bis Ende 2003 flächendeckend in den bettenführenden Einrichtungen (16 Kliniken) eingeführt mit dem Ziel, die Bedürfnisse und Erfahrungen der Patienten zu ermitteln und die Ergebnisse in ein internes Qualitätsmanagement einfließen zu lassen. Eine Besonderheit des Verfahrens lag darin, dass neben der (Zufriedenheits-)Beurteilung auch die Wichtigkeit der einzelnen Items aus Patientensicht erhoben wurde. Ziel: Vor diesem Hintergrund sollen die Erfahrungen mit der Erhebung der Wichtigkeit auf einer 4-stufigen Antwortskala (Kategorien: sehr wichtig, wichtig, weniger wichtig, unwichtig) dargestellt sowie die Möglichkeiten zur Erkennung von Verbesserungspotenzialen aus der kombinierten Wichtigkeits-Zufriedenheits-Analyse (Portfolio-Technik) erörtert werden. Methoden: Neben allgemeinen Fragen zum Aufenthalt und Angaben zur Person umfasste das entwickelte Instrument die fünf Dimensionen „Aufnahme in der Klinik und auf Station“ (6 Fragen), „Medizinische und pflegerische Versorgung“ (15), „Information und Aufklärung“ (13), „Mitsprache-, Einflussmöglichkeiten und Patientenbedürfnisse“ (13) sowie „Klinikausstattung und Serviceangebot“ (9). Der Fragebogen wurde einer Stichprobe von jeweils 60 Patienten pro Station nach vorheriger Ankündigung etwa 10 Tage nach ihrer Entlassung zugesandt, die Rücklaufquote betrug durchschnittlich 69,9%. Aus der ersten Befragungsrunde der 16 Kliniken liegen insgesamt 1.887 auswertbare Fragebogen vor. Ergebnisse: 44 von 56 erhobenen Aspekten der stationären Versorgung wurden in über 90% der Antworten als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ befunden. Punkte, denen weniger Wert beigemessen wurde, ordneten sich weitgehend dem Ausstattungs- und Servicebereich zu. Die Verteilung der Wichtigkeitsantworten über alle Items zeigt noch ausgeprägtere Deckeneffekte (sehr wichtig: 51,3%, wichtig: 40,7%, weniger wichtig: 6,6%, unwichtig: 1,4%) als die der Zufriedenheitsbeurteilung (sehr gut: 35,8%, gut: 51,0%, weniger gut: 10,5%, schlecht: 2,7%). Bei kombinierter Betrachtung der Wichtigkeits- und Zufriedenheitsantworten fallen Diskrepanzen besonders in der Dimension „Information und Aufklärung“ ins Auge. Während die Patienten etwa der Information über verabreichte Medikamente (Wirkungen, Nebenwirkungen) oder über genesungsförderndes Verhalten zu Hause hohes Gewicht beimessen (jeweils 98% wichtig oder sehr wichtig), haben sie diese Punkte in lediglich 62% der Fälle als „sehr gut“ oder „gut“ erfahren. Ähnliches gilt beispielsweise auch für die Erklärung der Ergebnisse von Untersuchungen oder operativen Eingriffen mit Zufriedenheitsquoten von 82% bzw. 83% bei uneingeschränkt hoher Wichtigkeit. Diskussion und Folgerungen: Die Verteilung der Antworten zur Erhebung der Wichtigkeit von Aspekten der stationären Versorgung aus Patientensicht weist stark ausgeprägte Deckeneffekte auf. Mit der Einführung einer zusätzlichen Antwortkategorie (z.B. „das Allerwichtigste“) könnte diesen möglicherweise begegnet und die Diskriminationsfähigkeit der Skala erhöht werden. Wenn auch nur punktuell in einem Klinikum erhoben, werden in Parallelität zu vielen anderen nationalen und internationalen Erhebungen auch an dieser Stelle aus den Patientenerfahrungen Verbesserungspotenziale im Bereich der Patienteninformierung und –aufklärung erkennbar, die es über einen Qualitätsverbesserungszyklus einzulösen gilt.