Gesundheitswesen 2004; 66 - 236
DOI: 10.1055/s-2004-833974

Maximiert die Zuteilung von Nierentransplantaten die beeinträchtigungsgewichteten Lebensjahre (DALYs) in der Population potentieller Empfänger?

M Zimmermann 1, U Mueller 1
  • 1Institut für Medizinische Soziologie und Sozialmedizin, Universität Marburg

Hintergrund: Wir betrachten eine Vergabepraxis von Spenderorganen an eine potentielle Empfängerpopulation dann als optimal, wenn diese Praxis den Gewinn beeinträchtigungsgewichteter Lebenszeit (DALY) bei der potentiellen Empfängerpopulation maximiert. Ziel: An den Daten US Renal Data System, das variablenreiche Morbiditäts- und Versorgungsinformationen über die gesamte Patientenpopulation der USA mit terminaler Niereninsuffizienz (ESRD) seit Anfang der 1980er Jahre enthält, wird an Hand der vier häufigsten Grunderkrankungen – Diabetes I, Diabetes II, essentieller Hypertonus, Glomerulonephritis – die Vergabepraxis in den USA geprüft. Methoden: Dabei wird der hypothetische Gewinn an DALYs bei den Nicht-Empfängern auf der Warteliste aus den Prädiktoren des Gewinns bei Empfängern mit Übergangsratenmodellen geschätzt, und dann verglichen mit dem realisierten Gewinn bei Empfängern, der wiederum aus deren geschätzter Lebenszeit ohne Transplantat berechnet wird. Ergebnisse: Dass die Zuteilung nicht optimal ist, ergibt sich aus Befunden, wonach es bei unterschiedlichen Krankheitsgruppen nach Alter, Geschlecht oder Ethnizität erheblich unterschiedliche Chancen auf die Zuteilung einer Niere gibt, ohne dass von den klinischen Verläufen der Grundkrankheiten oder der Prävalenz von Comorbidität ein Grund dafür ersichtlich wäre. Diskussion: Entsprechend gibt es Patienten auf der Warteliste, deren Gewinn an DALYs größer gewesen wäre als bei einem Teil der Empfängerpopulation realisiert. Schlussfolgerungen: Das Mass beeinträchtigungsgewichteter Lebenszeit oder ihm ähnliche Masse, die sich als die entscheidenden Indikatoren zur Beschreibung der allgemeinen Bevölkerungsgesundheit durchgesetzt haben, sind das Kriterium der Wahl auch für gesundheitsökonomische und gesundheitsethische Analysen über die Vergabepraxis knapper Gesundheitsressourcen.